Das 19. Jahrhundert brachte erstmals Licht ins Dunkel unserer Abstammung. Im Neandertal bei Düsseldorf wurde der Schädel einer prähistorischen Menschenform gefunden. Später stellte sich heraus, dass die „Neandertaler“ überall in Europa und im Nahen Osten gelebt haben. 1868 tauchte in einer südfranzösischen Höhle erstmals ein Fund unseres direkten Vorfahren auf. Der Cro Magnon Mensch war bereits ein moderner Homo sapiens.
Die Engländer waren eine Zeitlang beleidigt, weil sie auch einen Ur-Engländer haben wollten. 1912 stieg die Begeisterung, als Arthur Smith Woodward und Charles Dawson auf einer Sitzung der geologischen Gesellschaft in London berichteten, dass sie ein Bindeglied zwischen Menschen und Affen gefunden hätten. Die entsprechenden Schädelteile waren in einer Schottergrube in der Nähe von Piltdown (Grafschaft Sussex) gefunden worden. Die Schädeldecke war eindeutig menschlich, der Unterkiefer war eher einem Affen zuzuordnen. Wegen der an der Fundstelle entdeckten Tierfossilien schätzte man den „Piltdown-Menschen“ auf ein Alter von einer halben Million Jahre. Die gleichzeitig entdeckten Steinwerkzeuge deuteten auf ein intelligentes Wesen hin. Voll Begeisterung wurde der Fund „Eoanthropus dawsoni“ (Dawson-Mensch der Morgenröte) genannt.
Anthropologen außerhalb von Großbritannien meldeten Zweifel an. Irgendwie schien der große Unterkiefer nicht zum kleinen Schädel zu passen, aber jegliche Kritik wurde sofort beiseite gewischt. In den nachfolgenden Jahren wurden die bei der Entdeckung Beteiligten mit Ehrungen überhäuft. Es gab Adelstitel und für den früh verstorbenen Charles Dawson wurde ein Denkmal errichtet. 1935 tauchten neuerlich Zweifel am Piltdown-Fund auf, was in England als Schande betrachtet wurde. Das Dawson-Denkmal wurde zum Nationaldenkmal erhoben.
Im Lauf der Jahre verbesserten sich die Analysemethoden. Mit Hilfe von genauen Messungen konnte nachgewiesen werden, dass der Schädel höchstens 50.000 Jahre alt war. Der Kieferknochen eines Affen, der in Wahrheit gar nicht zum Schädel passte, war noch jünger. Ein genauer Blick auf die Zähne brachte den Betrug endgültig ans Licht. Die Zähne waren nachbearbeitet worden, um sie menschenähnlich aussehen zu lassen. Im November 1953 meldete die „Times“ in großer Aufmachung, dass der Piltdown-Mensch als Fälschung einzustufen ist.
Es ist bis heute nicht bekannt, wer die Fälschung anfertigte. Zu den Verdächtigen gehört auch Sir Conan Doyle, der Erfinder von Sherlock Holmes. Sein Haus lag in der Nähe des Fundortes. Die Zahl prähistorischer menschlicher und vormenschlicher Funde geht heute übrigens in die Tausende. Jeder weitere Betrugsversuch ist dadurch sinnlos geworden.