Viele Psychologen fiebern weltweit dem 6. Mai entgegen. An diesem
Tag jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag des österreichischen
Psychoanalytikers Sigmund Freud (1856-1939). Es wird weltweit viele Feiern
geben, obwohl Teile von Freuds Lehre heftigst umstritten sind. Im selben
Jahr, in dem Freud zur Welt kam, wurde Emil Kraepelin (1856-1926) in Neustrelitz
(Mecklenburg) geboren. Kraepelins Geburtstag jährt sich bereits am
15. Februar zum 150. Mal. Die Zahl und Größe der Gedenkfeiern
wird bei weitem nicht an diejenigen von Sigmund Freud heranreichen, obwohl
Kraepelin einer der größten Erneuerer der Psychiatrie war.
Kraepelin studierte an den Universitäten Würzburg und Leipzig
Medizin und promovierte mit einer wissenschaftlichen Arbeit „Über
den Einfluss akuter Krankheiten auf die Entstehung von Geisteskrankheiten“.
Später war er Assistent an der „Oberbayerischen Irrenanstalt“
in München. 1882 führte er an der Universität Leipzig beim
großen deutschen Psychologen Wilhelm Wundt experimental-psychologische
Forschungen durch. Nach seiner Habilitation kehrte Kraepelin nach München
zurück und wurde kurz darauf Oberarzt einer oberschlesischen „Irrenanstalt”.
Ab 1885 leitete er in Dresden die städtische „Irren- und Nervenklinik“.
An der damals allgemein gebräuchlichen und abwertenden Bezeichnung
„Irre“ für psychisch Kranke kann man den Fortschritt
in der Medizin, insbesondere der Psychiatrie, erkennen. „Irre“
galten als Verrückte, die man abzuschieben und sicher zu verwahren
hatte. Heute spricht man von psychisch oder seelisch Erkrankten, denen
man helfen muss, die in vielen Fällen eine Linderung ihres Leidens
erwarten dürfen oder sogar geheilt werden können. Dieser Fortschritt
ist zu einem nicht geringen Teil Emil Kraepelin zu verdanken. Er konnte
nach zahlreichen Forschungen die begründete Vermutung vertreten,
dass psychotische Erkrankungen körperliche Ursachen haben müssen.
Wegen ihrer bis heute noch nicht vollständig aufgeklärten Ursachen
bezeichnet man diese Krankheiten allgemein als „endogen“.
Diese kann man aber in vielen Fällen medikamentös behandeln.
Kraepelin leistete in der Folge wichtige Beiträge zur Psychopharmakologie
und entwickelte die erste international akzeptierte Systematik psychischer
Störungen.
Heute weiß man, dass viele psychische Erkrankungen auf Fehlsteuerungen
bei Neurotransmittern - das sind Nervenbotenstoffe - zurückzuführen
sind. Kraepelin hatte also prinzipiell Recht. Die seit 1928 vom deutschen
Max Planck-Institut für Psychiatrie an verdiente Ärzte und Forscher
verliehene Kraepelin-Medaille erinnert an einen der großen Männer
der Psychiatrie.