Der Ursprung der jiddischen Sprache liegt im Mittelalter. Immer wieder wurden
die Juden in Ghettos gesperrt und von der Außenwelt isoliert. Sie
sprachen zunächst das gleiche Mittelhochdeutsch wie die Christen.
Da die Juden aber die Bibel und den Talmud im Originaltext lasen, verarmte
durch die Isolation ihr deutscher Wortschatz. Viele Wörter wurden
durch hebräische oder aramäische Wörter sowie durch Ausdrücke
der regionalen Dialekte ersetzt. Zusätzlich entwickelte sich eine
neue Grammatik. So wurde das Jiddische allmählich zu einer selbständigen
Sprache.
Eine Reihe von Lehnwörtern ist später aus dem Jiddischen in
die deutsche Alltagssprache zurückgekehrt, wie etwa Gauner oder Ganove
(ganáw = Dieb), meschugge (m’schugá = verrückt),
mogeln, Schlamassel, mies (Miúss = Ekel), pleite (plejta = Flucht),
Mammon, Hazloche un broche (hazlachá, brachá = Glück
und Segen), woraus später - missverstanden - „Hals und Beinbruch“
entstand. Jiddisch war weit verbreitet und wurde bis zum Holocaust allgemein
zu den Weltsprachen gezählt.
Der „gute Rutsch“ zum Neuen Jahr kommt ebenfalls aus dem
Jiddischen. Dieser Wunsch hat mit einem Rutschen auf Eis oder Schnee oder
einem Hinübergleiten ins Neue Jahr gar nichts zu tun. "Rosh
ha-Shana" ist der erste Jahrestag im jüdischen Kalender. Im
Jiddischen und später im Deutschen verwandelte sich "Rosh"
allmählich in den bekannten "Rutsch", was heute missverstanden
wird. Mit dem jüdischen Neujahrsfest wird eine Zeit der Reue und
Umkehr eingeleitet, die am Yom Kippur, dem Versöhnungstag, endet.
Während die meisten jüdischen Feiertage ihren Ursprung in historischen
Ereignissen haben, sind Rosh ha-Shana und Yom Kippur religiöse Feste.
Nach traditioneller Vorstellung wird am Rosh ha-Shana (wörtlich:
„Beginn des Jahres“) das Buch des Lebens aufgeschlagen und
ein Urteil über den Lebenswandel der Menschen geschrieben. Die folgenden
zehn Tage dienen der tätigen Reue, Versöhnung und Umkehr. Streitigkeiten
und Unfrieden sollen beseitigt, schlechte Gedanken sollen bereut werden.
Am Yom Kippur, dem höchsten religiösen Fest des Judentums, wird
das Urteil besiegelt und das Buch geschlossen. In den Synagogen, die in
dieser Zeit in weißer Farbe gehalten sind, wird am Yom Kippur aus
dem Buch Jona gelesen: Der Prophet Jona sprach vor den Bewohnern der Stadt
Ninive vom göttlichen Strafgericht. Die Menschen bereuten ihre Sünden
und wurden gerettet.
Wenn man also zu Silvester einen guten Rutsch wünscht, dann wünscht
man nichts anderes als einen guten und reuevollen jüdischen Jahresbeginn.
|
|