Die Versprechungen der Wissenschaften sind eine Unsitte um nicht zu
sagen ein Ärgernis. Die Wissenschaften können Trends berechnen
und Wahrscheinlichkeiten angeben, aber sie können nicht die Zukunft
voraussagen. Es erstaunt daher immer wieder, wenn Wissenschafter verkünden,
welche Probleme man demnächst mit Hilfe der Forschung wird lösen
können.
Die moderne Gentechnik verspricht die Korrektur der angeblich so fehlerhaften
Natur zum Wohle der Menschheit. Menschen mit Erbkrankheiten müßte
es nicht mehr geben, Kulturpflanzen würden endlich so getrimmt werden,
daß der weltweite Nahrungsmangel kein Problem mehr sein werde, und
Nutztiere könnten zu Kunstwesen mit Höchstleistung trainiert
werden. So verspricht uns die Wissenschaft die baldige Beseitigung aller
Not, angefangen vom Krebs über AIDS bis hin zum Hunger der Dritten
Welt.
Genetiker haben schon vor Jahren nachgewiesen, daß im Reich der
Gene komplizierte und schwer durchschaubare Wechselwirkungen existieren.
Gene führen kein Einsiedlerleben sondern agieren gemeinsam mit anderen
Genen. Wenn man dieses System künstlich verändert, können
nach Generationen unerwartete Dinge passieren. Ein Gen, das in einem Tierstamm
oder einer Pflanzensorte funktioniert, kann bei Übertragung auf einen
anderen Stamm nach einigen Generationen zum Niedergang der Population
führen. Defekte Gene, denen der Experimentator im Selektionsversuch
keine Chance gibt, können sich zusammen mit anderen Genen als funktionsfähig
erweisen.
Aufgrund der vielgestaltigen Wechselbeziehungen im Bereich der Gene sind
die Folgen gentechnischer Veränderungen über mehrere Generationen
hinweg grundsätzlich unmöglich vorhersagbar. Die Gene verhalten
sich kurzfristig im Rahmen einer gewissen Erwartung, langfristig sind
sie jedoch "chaotisch" wie das Wetter oder die Börsenkurse.
Auch in diesen Bereichen kann man mittel- bis langfristig keine genauen
Trends vorhersagen.
Der Fortschritt des Lebens begann vor über drei Milliarden Jahren
mit Cyanobakterien und lief ohne Stillstand bis heute weiter. Es kann
daher nie um die Frage gehen, ob es Fortschritt geben soll oder nicht.
Diese Frage hat die Natur durch ihre laufende Veränderung längst
beantwortet. Es kann immer nur darum gehen, welchen technischen Fortschritt
wir wollen und verantworten können. Vor allem sollten wir uns ab
und zu die Frage stellen, wie begeistert und gutgläubig wir Neuheiten
bewundern. Die Befürworter der Gentechnik erwarten die Lösungen
vieler Probleme. Ob diese Technik tatsächlich Probleme beseitigen
kann, und ob sie nicht neue schaffen wird, muß sich erst zeigen.
Verläßliche Prognosen sind unmöglich, daher darf man nie
Vorsicht mit Fortschrittsfeindlichkeit verwechseln.
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