Die Diskussion, ob man den Bau von Minaretten gestatten solle, verstellt
den Blick darauf, dass es in keiner Glaubensrichtung der Welt einheitliche
Strömungen gibt. Es gab in allen Religionen immer schon unterschiedliche
Meinungen pro oder contra Fortschritt, sowohl im Islam als auch im Judentum
und in den christlichen Kirchen. Auch in der Politik gibt es bekanntlich
unterschiedliche Bewegungen. Die Glaubenskämpfe der Parteien um
„Gerechtigkeit“, „Umverteilung“ und all die
anderen Begriffe, die in Wahlkämpfen wie Hagelkörner herniederprasseln,
sind Bestandteile unserer freien Demokratie. Die Frage dabei ist, was
für die Zukunft der Menschheit richtig und nützlich ist.
In den Wissenschaften herrscht das Selektionsprinzip. Was richtig ist,
entscheiden die Naturgesetze. Zur Entwicklung neuer Theorien sind in
der Anfangsphase unterschiedliche Meinungen wichtig. Wenn es aber keinen
Grund mehr gibt, an der Relevanz einer Lehre zu zweifeln, fallen die
Konkurrenzmodelle in den Abfalleimer. Im 17. Jahrhundert war es eine
offene Frage, ob sich die Planeten um die Sonne bewegen. Hundert Jahre
später war dies eine ausgemachte Sache, das alte (geozentrische)
System wurde aufgegeben. Im 18. Jahrhundert galt die Behauptung des
schottischen Gelehrten James Hutton, die Erde sei Millionen Jahre alt
als Sensation. Heute gibt es unter US-Wissenschaftlern, wie kürzlich
erhoben wurde, nur noch ein kaum wahrnehmbares Spurenelement (1,4 Promille),
das glaubt, die Erde sei nur einige tausend Jahre alt ist. Auch Einsteins
Relativitätstheorie wird heute noch gelegentlich „widerlegt“,
obwohl das GPS-Satellitensystem, die Hochenergiephysik und andere Techniken
Einsteins Relativitätstheorie als Basis benützen.
In den Wissenschaften setzen sich relevante Theorien schnell durch.
In der Politik und in einigen Religionen laufen die Uhren langsamer.
Der Islam hat die europäische Aufklärung im 18. Jahrhundert
verschlafen, trotzdem sollte das demokratische Abendland - zumindest
auf Dauer - keine Barrikaden gegen Osten errichten. Stattdessen müssen
wir die aufgeklärten Moslems, von denen längst viele unter
uns leben, ideell unterstützen. Den Integrationsblockierern hingegen
wird man mit Gesetzen begegnen müssen, und das geschieht auch.
Im Schulunterrichtsgesetz lautet ein neuer Paragraph (1. §3 Abs.3):
„Die Erziehungsberechtigten haben dafür Sorge zu tragen,
dass ihre Kinder zum Zeitpunkt der Schülereinschreibung die Unterrichtssprache
im Sinne des Abs. 1 lit. b soweit beherrschen, dass sie dem Unterricht
zu folgen vermögen.“ Es braucht alles seine Zeit, langfristig
höhlt das Wasser der abendländischen Demokratie jeden alten
Hinkelstein, der im Weg steht.