Manche Leute sind von der unstillbaren Begierde durchdrungen, ihrem Leben
oder zumindest ihrer Gesundheit ein rasches und spannendes Ende zu bereiten.
Die Supermänner des 20. Jahrhunderts hüpfen - natürlich
mit Fallschirmen - von einer Klippe oder springen über dem Südpol
aus einem Flugzeug. Andere wiederum stürmen mit Spezialgeräten
einen Gebirgsbach hinunter oder springen mit Gummibändern an den
Beinen von Brücken oder Staumauern. Diese Tapferkeit vor den feindlichen
Naturgesetzen bedarf natürlich einer Begründung, und diese ist
immer die gleiche. Man müsse eben diesen Kick, diesen unvergleichlichen
Adrenalinschub haben, heißt es. Andere philosophieren von Grenzerfahrungen
und ähnlichem, aber das Destillat der Supermanngesellschaft ist und
bleibt das Hormon Adrenalin.
Das Adrenalin (lateinisch: Ren = Niere) wird in den Nebennieren produziert.
Diese sind kleine Drüsen, die auf der Niere aufsitzen. (Adrenalin
bedeutet "bei der Niere" liegend). 1855 hatte man erstmals von
diesen Drüsen gehört, als der britische Arzt Thomas Addison
zeigte, daß eine Erkrankung der Nebennierenrinde zu schrecklichen
Symptomen führt. Bis heute spricht man von der "Addison-Krankheit".
Zu den Kennzeichen zählen eine Störung des Mineral-, Wasser
und Säurehaushaltes, Kohlenhydrat-Störungen, niedriger Blutzucker
und vieles mehr. Die Patienten fühlen sich müde und schwach,
es treten Hautverfärbungen, Herzrhythmusstörungen und Muskelkrämpfe
auf.
Der britische Physiologe Edward Albert Sharpey-Schafer entdeckte, daß
eine in den Nebennieren gebildete Substanz den Blutdruck eines Versuchstieres
erhöht, wenn man dieses Sekret injiziert. Diese Eigenschaft erschien
so bemerkenswert, daß der amerikanische Pharmakologe John Jacob
Abel die von Schafer untersuchte Substanz isolierte und wissenschaftlich
genauer überprüfte. 1898 nannte Abel den von Sharpey-Schafer
untersuchten Stoff "Epinephrin" (griechisch: über der Niere
liegend). Erst einige Jahre später erhielt das Epinephrin die weitere
Bezeichnung Adrenalin. Beide Namen bezeichnen im wesentlichen das gleiche
und sind heute noch gebräuchlich. Weitere Namen sind u.a. Suprarenin
und Vasotonin.
Adrenalin wird durch einen streßbedingetn Nervenimpuls ausgeschüttet.
Es wirkt sofort auf den sogenannten Sympathicus, einem Teil des autonomen
Nervensystems. Die Pulsfrequenz steigt, der Blutdruck steigt und damit
auch das Herzminutenvolumen. Die Pupillen erweitern sich, die Bronchien
dehnen sich aus, und der Energieumsatz steigt durch höheren Sauerstoffverbrauch.
Das vor hundert Jahren isolierte Adrenalin war sowohl das erste entdeckte
als auch das erste künstlich synthetisierte Hormon (1904). Heute
ist es unentbehrlich, sowohl für die Medizin als auch für die
modernen Supermänner.
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