Die Masern (Morbilli) könnten wiederkommen. Die Fachzeitschrift
„Science“ berichtete kürzlich, dass der Anteil der geimpften
Kinder in Großbritannien in den letzten Jahren auf 85 Prozent gesunken
ist. Gleichzeitig kam es zu mehreren Ausbrüchen der Masern in England
und Wales. Vor Einführung der Masernimpfungen in der Mitte des 20.
Jahrhunderts starben in Großbritannien jährlich etwa 100 Menschen
an dieser Infektionskrankheit.
In den Sechzigerjahren stieg die Zahl der Impfrate bei Kindern an und
erreichte in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts über 90
Prozent. 1988 wurde ein Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps und
Röteln („MMR-Vakzin“) eingeführt. Als in den letzten
Jahren ein Gerücht die Runde machte, der neue Impfstoff hätte
schlimme Nebenwirkungen und löse bei Kindern sogar Autismus aus,
ging die Impfrate zurück. Viele Eltern ließen ihre Kinder auch
dann nicht mehr impfen, als sich die Horrormeldungen nachweislich als
falsch herausgestellt hatten.
Der Rückgang der Impfrate hat Mediziner und Biologen veranlasst,
die Zahlen der Maserninfektionen unter die Lupe zu nehmen. Die wichtigste
Kennzahl einer ansteckenden Krankheit ist die Reproduktionszahl. Sie gibt
an, wie viele gesunde Menschen im Durchschnitt von einem Erkrankten angesteckt
werden. Ist die Zahl kleiner als 1, geht die Krankheit zurück. Ist
sie größer als 1, entwickelt sich eine Epidemie.
Die Berechnung der Reproduktionszahlen ergab für die Jahre 1995
bis 1998 den Wert 0,47. Von 1999 bis 2002 war ein Anstieg auf 0,82 zu
beobachten. Die letzten ermittelten Zahlen deuten darauf hin, dass die
Reproduktionszahl kurz vor der Kippkante von 1,0 steht. Die Autoren der
Science-Studie kommen zum Schluss, dass der Rückgang der Masern-Impfrate
in Großbritannien in Kürze zu einer Epidemie führen könnte.
Impfgegner arbeiten mit Argumenten, die sich bei näherer Betrachtung
als Irrtum herausstellen. So wird etwa behauptet, dass bei einer Epidemie
mehr Geimpfte als Ungeimpfte erkranken. Nehmen wir an, in einem Dorf leben
1.000 Einwohner, von denen 30 Menschen nicht geimpft sind. (Impfrate 97%).
Es wird eine Infektionskrankheit eingeschleppt, worauf die 30 Ungeimpften
erkranken. Da der Impfstoff eine Erfolgsquote von etwa 95% hat, sind rund
50 der Geimpften nicht immun und erkranken ebenfalls. Somit gibt es in
dem Dorf 30 Kranke unter den Ungeimpften, aber 50 Kranke unter den Geimpften.
Ohne Impfung wären aber mehrere Hundert Menschen erkrankt. Impfgegner
benützen also richtige Zahlen, deuten diese aber mangels an statistischen
Kenntnissen völlig falsch.
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