Lehrer an Gymnasien, Hauptschulen und Neuen Mittelschulen kennen das Problem. Die lieben Kleinen kommen mit guten Deutschnoten aus der Volksschule, können aber kaum flüssig, geschweige denn sinnerfassend lesen. PISA (Programme for International Student Assessment) testet regelmäßig die Fünfzehnjährigen und dokumentiert die Bildungsschwächen. Interessant sind die nach Stadtgröße aufgeschlüsselten Ergebnisse. Es zeigt sich, dass Wien die einzige Großstadt der Welt ist, deren PISA-Ergebnisse unter dem Landesdurchschnitt liegen. Migranten sind kein Argument, weil es in allen Millionenstädten Migranten gibt. Österreich ohne Wien läge in allen Vergleichsstudien ganz weit vorne.
Interessanter als PISA sind Volksschulstudien. Erstaunlicherweise werden diese selten veröffentlicht und von keinem Politiker diskutiert, obwohl es auch hier brisante Ergebnisse gibt. TIMSS (Trends in International Mathematics and Science Study) ist eine international vergleichende Leistungsuntersuchung in Mathematik. PIRLS (Progress in International Reading Literacy Study) ist eine Lesestudie, die in Deutschland IGLU (Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung) genannt wird. Die Vergleiche zwischen den Staaten kann man aus umfangreichen Dokumentationen entnehmen, die auf der Internetseite des Unterrichtsministeriums leicht zu finden sind. Vergleichszahlen der Bundesländer sind leider nur für Hacker zu finden. Bei den letzten Volksschultests siegte Oberösterreich haushoch, dicht gefolgt von Salzburg. Vorarlberg liegt im guten Mittelfeld. Wien ist so weit abgeschlagen, dass deren Ergebnisse das österreichische Gesamtergebnis in allen Studien stark nach unten ziehen. Die Zusammenhänge zwischen TIMSS/PIRLS und PISA sind klar. Die Qualität einer Volksschule setzt sich in der Sekundarstufe fort, egal ob Hauptschule oder Gymnasium. Am schlimmsten jedoch ist die Tatsache, dass zwischen den besten und schlechtesten österreichischen Volksschulen ein Qualitätsunterschied herrscht wie zwischen den Sonderschulen und den besten Gymnasien.
Einige Politiker fordern Modellregionen für Gesamtschulen, ignorieren aber die lokalen Probleme. Ein Modellversuch in einer Region mit schlechten Volksschulen würde nicht nur eine schlechte Gesamtschule ergeben, sondern eine Katastrophe für die heimischen Jugendlichen bedeuten. Unsere Politiker sollten sich informieren, bevor sie unentwickelte Ideen präsentieren, denn ein Handlungsbedarf besteht – wissenschaftlich beweisbar - nur bei den Volksschulen. Das Niveau unserer schlechten Volksschulen muss dringend ausgewertet und anschließend angehoben werden. Alles andere ist zurzeit nachrangig.