Es gibt Gründe für die kaum nachlassende Zahl an Kirchenaustritten. Der Kirchenbeitrag ist nur ein Kriterium. Es geht auch darum, dass Menschen Fragen nach unserer Existenz und dem Sinn des Lebens stellen. Die Naturwissenschaften können diese Fragen nicht vollständig beantworten, andererseits haben die Religionen wachsende Probleme, mit den Naturwissenschaften Schritt zu halten und die Anliegen der Menschen zu bedienen. Zwei Beispiele seien hier aufgezeigt, die zeigen, welche Probleme die Religionen haben, den Naturwissenschaften die Hand zu geben.
Es gibt in der Quantenphysik die so genannte Planckzeit. Sie ist nach dem großen deutschen Physiker Max Planck benannt. Die Planckzeit beschreibt die kleinstmögliche Zeit, an deren Grenze die Gesetze der bekannten Physik gerade noch gültig sind. Der Wert beträgt 5,4 * 10-44 Sekunden. Das ist auch für Schnelldenker eher kurz. Der Wert errechnet sich aus der Zeit, die das Licht benötigt, um eine Plancklänge - ebenfalls ein Begriff aus der Quantenwelt - zurückzulegen. Bei kleineren Zeitintervallen verliert die Zeit ihre vertrauten Eigenschaften, sie wird messtechnisch und rational unzugänglich. Eine praktische Anwendung der Planckzeit wurde noch nicht gefunden, aber für religiöse Menschen mit physikalischen Kenntnissen hat sie bereits eine gewisse Bedeutung. Die Kosmologie und die Hochenergiephysik können sich immer näher an den Urknall herantheoretisieren, aber bei der Planckzeit ist unwiderruflich und endgültig Schluss. Niemand weiß, ob diese unzugängliche Zeit der „Gedankenblitz Gottes“ für unsere Welt sein könnte. Immerhin – die Idee hat was und ist reizvoll.
Schauderhaft geht es am unbedarften Ende der Glaubenswelt zu. In einem Lehrerhandbuch für evangelikale Schulen ("Bibel, Schöpfung, Evolution - Grundlegende Unterrichtsentwürfe für Schule und Gemeinde" herausgegeben von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen) erfährt man Atemberaubendes über die Herkunft des Menschen, die Sintflut und den Turmbau zu Babel. Zahlreiche Arbeitsblätter, Folien und Begleitmaterial auf einer beiliegenden CD stehen dem (fundamentalistischen) Lehrer zur Verfügung. Das Buch vermittelt dem Schüler ein Schöpfungsdatum um 4000 v.Chr. Die Sintflut hat ungefähr um 2300 v.Chr. stattgefunden. Das Problem des Schülers liegt nun darin, dass ihm im Geschichtsunterricht etwas anderes erklärt wird und er in allen naturwissenschaftlichen Büchern erfährt, dass die Erde über 4.500 Millionen Jahre alt ist. Die Frage, wie der Koalabär von Australien zur Arche und dann wieder zurückkam, wird in besagtem Buch kabarettreif erklärt. Glaube und Wissen zu vereinen gelingt halt nicht immer.