Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2010

Die menschliche Freiheit besteht lediglich darin, dass sich die Menschen ihres Wollens bewußt und der Ursachen, von denen sie bestimmt werden, unbewußt sind.
(Baruch de Spinoza)


29. März 2024


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DER BEGRENZTE HORIZONT


Ist es eine Schande, die Gleichung v(m) = v(g) * ln(m(0)/m) nicht zu kennen oder nicht zu verstehen? Nein, das ist es natürlich nicht, obwohl es sich um die wichtigste Gleichung der Raumfahrt handelt, die Raketenformel des russischen Physikers Konstantin Ziolkowski. Ziolkowski hat dieses physikalische Gesetz bereits 1903 entworfen, es bildet seither die Grundlage für die Entwicklung aller Raketen. Es ist auch keine Schande, die Gravitationsformel F = G * (m(1)*m(2)/r*r) nicht zu kennen, obwohl sich nach dieser Gleichung Planeten, Monde und Satelliten bewegen.

Selbstverständlich ist es auch nicht nachteilig, von Integralrechnungen keine Ahnung zu haben. Dieses vom Engländer Isaac Newton und dem Deutschen Gottfried Wilhelm Leibniz unabhängig voneinander entwickelte geniale mathematische Verfahren erlaubt es, eine Figur in unendlich kleine Stücke zu teilen, die dann unendlich oft aufsummiert werden. Erst mit Hilfe dieser Methode war es möglich geworden, allerlei Kurven und geometrischen Körpern zuleibe zu rücken. Unendlich kleine Teile werden unendlich aufsummiert – ein Verfahren, das nicht nur mathematisch, sondern auch philosophisch eine gewisse Faszination besitzt.

Etwas nicht zu wissen, ist noch keine Schande. Ein Nichtwissen oder Nichtverstehen an die große Glocke zu hängen, um gleichzeitig zu verkünden, dass es sich hier um nutzloses Wissen handelt, das nicht in die Schulen gehört, ist nicht nur eine Schande, es ist geradezu ein Frevel.

In einer österreichischen Tageszeitung hat ein „Bildungsexperte“ und Personalberater (neudeutsch „Headhunter“) kürzlich gemeint, dass Bildungsinhalte hinterfragt werden müssen. Wörtlich hieß es da: „Ich konnte meinen Kindern nie erklären, warum sie diese Mathematik, etwa Integralrechnung, lernen sollen. Wir brauchen Praxisnähe, aus dem Leben gegriffene Beispiele.“ Schon die Formulierung „diese Mathematik“ ist entlarvend. Der Denkfehler der Nicht-Versteher, der hier offensichtlich wird, durchzieht längst die gesamte Bildungsdebatte: Was ich nicht verstehe, ist nutzlos und gehört abgeschafft. Selbstverständlich gibt es zahlreiche intelligente Schüler, die den tiefen Sinn und die technische Bedeutung der Integralrechnung sofort durchschauen. Selbstverständlich gibt es auch Schüler, denen man die Raketengleichung und das Gravitationsgesetz nur ein einziges Mal erklären muss.

Das Kreuz mit manchen „Bildungsexperten“ liegt in der Begrenztheit ihres Horizonts. Was man selber nicht versteht, das gehört aus den Lehrplänen gestrichen. Man hüte sich vor diesen Halbwissern, wenn es um die Erstellung von Bildungsstandards geht.




© 2010 Rudolf Öller, Bregenz


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Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
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"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

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