Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht in irgendeinem Medium in aufgeregtem
Ton mitgeteilt wird, dass aufgrund einer absolut sensationellen Superentdeckung
alle Biologie-, Astronomie-, Geologie- und sonstigen Lehrbücher
„umgeschrieben“ werden müssen. Da werden Knochen eines
menschlichen Vorfahren entdeckt und schon müssen alle Bücher
über die Geschichte der Menschheit eingestampft und neu verfasst
werden. Ein andermal wird ein Bakterium mit neuen Eigenschaften entdeckt
und schon müssen alle „Dogmen der Biologie“ über
Bord geworfen und selbstverständlich alle Biologiebücher neu
geschrieben werden. Meldungen dieser Art waren und sind selbstverständlich
weit übertrieben, denn „Dogmen“ gibt es nur in Glaubenssystemen.
Ein Umschreiben von Büchern findet nur im Roman „1984“
von George Orwell statt. Je nach politischer Lage muss die Geschichte
des Landes neu geschrieben werden, aber das ist ja nichts Neues. In
der Türkei ist es verboten, den Völkermord der Türken
an den Armeniern zwischen 1915 und 1917 für wahr zu halten, in
Frankreich ist es verboten, diesen Holocaust zu leugnen. In Afrika sind
die Massenmorde des belgischen Königs Leopold II vor über
hundert Jahren im Kongo längst anerkannter Teil der Geschichte,
in Belgien wird das Thema eher verdrängt.
In den Naturwissenschaften läuft die Sache anders. Da die Physiker,
Chemiker und Biologen im Gegensatz zu anderen Wissenschaftlern über
Labors verfügen, in denen man Fakten überprüfen kann,
kommt es hier im Wesentlichen zu Erweiterungen vorhanden Wissens. Selbstverständlich
enthalten Lehrbücher des Jahres 2010 andere Details als vergleichbare
Bücher aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, aber echte Umwälzungen
hat es seither nur eine gegeben, die Gentechnik.
Das Hauptkriterium für die Erstellung einer Liste der wissenschaftlichen
Revolutionen sind radikal neue Gedanken. So war die Raumfahrt trotz
aller Erfolge „nur“ eine technische Neuerung, denn die theoretische
Grundlage, das Gravitationsgesetz, ist seit dem 18. Jahrhundert bekannt.
Wahre Revolutionen im Denken haben wir Leuten wie Isaac Newton, Albert
Einstein, Max Planck, Niels Bohr, Werner Heisenberg und anderen Giganten
zu verdanken.
Über die wenigen tatsächlichen Umbrüche des Wissens
berichtet die diesjährige Sommerserie des VN-Scheinwerfers. Die
Serie „Revolutionen“ enthält „Paarläufe“,
wobei kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben wird. Es kommen
zur Sprache: Aristarch und Demokrit, Kopernikus und Kepler, Galilei
und Newton, Hume und Smith, Hutton und Cuvier, Darwin und Wallace, Joule
und Kelvin, Planck und Bohr, Einstein und Heisenberg sowie Arber und
Smith.