Was haben Temelin in Tschechien und Paks in Ungarn gemeinsam? Beide Orte liegen
in Ländern, die sich um einen Beitritt zur Europäischen Union
bewerben, und in beiden Orten befindet sich je ein Kernkraftwerk, das
bereits Strom produziert. Temelin liegt etwa 150 Kilometer, Paks rund
250 km Luftlinie von Wien entfernt. Das Kernkraftwerk in Temelin besteht
aus 2 Reaktoren vom Typ "WWER-1000" und zählt mit 3 Gigawatt Wärmeleistung
je Reaktor und einer Nennleistung von 1,1 Gigawatt pro Stromgenerator
zu den dicken "Brummern". Der Reaktordruckbehälter allein hat 800
Tonnen und enthält 163 mit Uran gefüllte Brennelemente, wobei
das spaltbare Material (Uran) im Reaktorkern beinahe 100 Tonnen wiegt.
Der Reaktorkühlmitteldurchsatz liegt bei etwa 85.000 Tonnen je Stunde
und Reaktor.
Das Kernkraftwerk in Paks liegt 100 Kilometer südlich von Budapest
und besteht aus 4 Atomreaktoren. Die Reaktoren sind vom Typ "WWER 440/213"
mit einer Leistung von je 500 MW. Die Gesamtleistung von Paks entspricht
also der Größenordnung von Temelin. 40 Prozent der ungarischen
Stromproduktion kommen aus Paks. Die häufigsten Druckwasserreaktoren
aus der ehemaligen Sowjetunion sind aus der Bauserie WWER-440. Der Reaktortyp
440/230 ist der älteste und weist gewisse Sicherheitsmängel
auf. Reaktoren des Typs WWER-440/230 zählen zu den so genannten "high
risk reactors". Auch die EuropÄische Union stellt in der "Agenda 2000
- eine stärkere und erweiterte Union" vom 15.7.1997 klar, dass Reaktoren
des Typs WWER-440/230 "nicht auf das erforderliche Sicherheitsniveau gebracht
werden können". Es handelt sich um kaum nachrüstbare Reaktoren,
die sofort stillgelegt werden müssten. Die Sicherheit der ähnlichen
440/213-Reaktoren in Paks sollten somit eindringlich hinterfragt werden.
In den stenografischen Protokollen des österreichischen Nationalrates
vom 7. Oktober 1998 findet man folgende SÄtze einer prominenten Abgeordneten:
"Letztendlich müssen wir auch mit unseren ungarischen Kollegen Über
das Kernkraftwerk Paks und über Alternativen reden. Ebenso wird die
Europäische Union Überlegen müssen, welche Hilfe es Slowenien
und Kroatien fÜr das Kernkraftwerk Krško beziehungsweise Bulgarien fÜr
die Stilllegung von Kozloduj anbietet." Das sind weise Worte, denn ein
Volksbegehren gegen Temelin ist zwecklos, wenn nicht gleichzeitig die
alten Reaktoren in Osteuropa im Auge behalten werden. Wer gegen die Reaktoren
eines EU-Beitrittskandidaten vorgeht und die antiquierten eines anderen
Kandidaten übersieht, darf sich nicht wundern, wenn Fragen nach dem
Sinn und den Motiven des Anti Temelin-Volksbegehrens gestellt werden.
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