Der Teufel muss eine faszinierende Figur sein. Der neue Roman
von Dan Brown heißt „Diabolus“ (original: „Digital
Fortress“). Bei Heiligsprechungsprozessen gibt es einen „Advocatus
Diaboli“, den Anwalt des Teufels, und Papst Paul VI beklagte
seinerzeit, dass der „Rauch Satans“ in die Kirche eingedrungen
sei. Sogar in der Musik gibt es den Teufel. Der „Tritonus“,
die übermäßige Quarte, ist ein musikalisches Intervall,
das in der Tonleiter drei Ganztöne (eine halbe Oktave) umfasst.
Der Tritonus wurde früher, da er eine Dissonanz im Dur-Moll-System
erzeugt, auch der „Teufel in der Musik“ (lat.: diabolus
in musica) genannt.
Der Antichrist sitzt heute wieder einmal - aber dort ganz besonders
- in der modernen Wissenschaft, insbesondere in der Stammzellenforschung.
Dort herrscht Goldgräberstimmung. Weltweit werden laufend Patente
eingereicht, in der Hoffnung, mit genetisch manipulierten embryonalen
Stammzellen das große Geld zu machen. Der Stammzellerforscher
Austin Smith stellte dazu lakonisch fest, dass einige Firmen längst
eine so mächtige Position eingenommen haben, dass die Kooperation
mit ihnen einem "Pakt mit dem Teufel" gleichkomme. Allein
bei den embryonalen Stammzellen geht es um einen Markt, den Experten
auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr schätzen. Den "Putschisten
aus dem Labor", so der deutsche Journalist und Autor Hans-Magnus
Enzensberger, wird dabei vorgeworfen, die Entwicklung des Lebens dem
lieben Gott, der Evolution oder wem auch immer, zu entreißen
um sie menschlicher Willkür auszuliefern.
Bei all der Aufregung wegen dieser Entwicklung darf eine Tatsache
nicht übersehen werden. Grundlagenforschung hat weltweit eine
politisch nicht kontrollierbare Eigendynamik. Wenn die Zeit reif ist,
wenn bestimmte Kenntnisse erworben und Methoden erarbeitet wurden,
dann kommen neue Entdeckungen zwangsläufig. Hätte Otto Hahn
den Atomkern nicht gespalten, dann hätte dies irgendwo ein anderer
Physiker oder Chemiker getan. Auch die moderne Genetik war nicht zu
verhindern, vor allem auch deshalb nicht, weil die Öffentlichkeit
im entscheidenden Augenblick kein Interesse zeigte. Als 1975 in den
USA ein paar prominente Genetiker die Öffentlichkeit informierten,
dass in der Biologie eine Revolution zu erwarten sei, war das den
Journalisten zwar einige Berichte wert, aber nur ein einziger Politiker
zeigte Interesse: Senator Edward Kennedy. Heute, dreißig Jahre
danach, mag über den „Diabolus in scientia“, den
modernen Teufel in der Wissenschaft, geklagt werden. Die Anwendungen
der Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung kann man teilweise kontrollieren,
aber die Grundlagenforschung selbst kann kein Gesetz der Welt mehr
stoppen.
|
|