Der tragische Fall des verhungerten Mädchens in Oberösterreich
ist aus den Schlagzeilen verschwunden. Trotzdem sollte das Thema nicht
in Vergessenheit geraten. In den Fünfzigerjahren hat - zaghaft noch
- das begonnen, was wir Massenwohlstand nennen. Die Leute haben an Leibesumfang
zugelegt, aber parallel hat auch die Magersucht zugenommen, was die Vermutung
erhärtet, dass das gesellschaftliche Umfeld bei der Anorexie eine
Rolle spielt. Die „Anorexia nervosa“ (Magersucht) ist eine
Krankheit, deren Gefährlichkeit nicht unterschätzt werden darf.
Anorexie beginnt meist im Jugendalter. Körperlich gesunde Menschen
gelangen durch freiwilliges Hungern bis in den Bereich medizinischer Notfälle.
Insbesondere manche als Supermodels bewunderte Gerippe, die hohlwangig
über den „Catwalk“ schweben, sind fragwürdige Vorbilder.
Magersüchtige sind überwiegend weiblichen Geschlechts und meist
intelligent. Die anfänglichen Symptome der Anorexie sind eine ständige
Angst, übergewichtig zu sein, eine minimale Nahrungsaufnahme, viel
Sport und der damit verbundene Gewichtsverlust. Über gewisse Zeit
empfinden die magersüchtigen Mädchen ihr Verhalten als Stärke
und als Beweis für Selbstdisziplin.
Magersüchtige Patientinnen zeigen manchmal ein vordergründiges
Interesse am Essen. Sie kaufen für sich ein, sie kochen und backen
sogar, achten aber peinlich darauf, kontrolliert zu essen. Bei pubertären
Mädchen wirkt sich die gestörte Ernährung durch den Ausfall
der Hormonproduktion aus. Die körperlichen Zeichen einer Frau beginnen
erst gar nicht, sich zu entwickeln. Zusätzlich erscheinen Kälteempfindlichkeit,
spröde Knochen und Muskelschwäche. Magersüchtige hungern
sich manchmal bis in den Tod, wobei - vielleicht aus Rücksicht -
auch Lungenentzündung, Nierenversagen oder andere Erkrankungen als
Todesursachen angegeben werden.
Eine Anorexie kann Jahre andauern und sollte nicht mit Bulimie ("Stierhunger“)
verwechselt werden, bei der sich als Symptome Essanfälle, häufiges
Erbrechen und Abführmittelmissbrauch zeigen. Die Ess-Brechsucht befällt
meist Frauen über Zwanzig. Eine Bulimie-Patientin kann während
einer „Fressorgie" 10.000 Kilokalorien (!) in Form von Nudeln
und Torten essen um sogleich alles zu erbrechen. Die Folgen von Bulimie
sind Schlafstörungen, Verstopfung, Konzentrationsstörungen,
sowie Vitamin- und Mineralstoffmangel. Beim Auftreten entsprechender Symptome
ist der Gang zum Arzt unvermeidlich. Nicht unerwähnt bleiben sollten
die Motoren dieser modernen Seuchen: Gewisse Medien und Modediktatoren,
die, aus welchen Gründen auch immer, dünne Knabengestalten als
Schönheitsideal anpreisen.
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