Es ist wenig bekannt, dass die griechische Naturwissenschaft, insbesondere
aber die Biologie, mit Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) einen ersten Höhepunkt
erreichte. Aristoteles kam aus Nordgriechenland, war ein Lehrer von Alexander
dem Großen und gilt als der vielseitigste der griechischen Philosophen.
Er schrieb über viele Bereiche, wie etwa Biologie, Physik, Literatur,
Politik und Ethik. Im Mittelalter erreichten seine physikalischen Schriften,
die sich hauptsächlich mit dem Aufbau des Universums befassten, große
Berühmtheit. Doch gerade diese Arbeiten erwiesen sich später
als falsch.
Die gesamte Biologie, insbesondere aber das Studium der Meerestiere,
zählte zu Aristoteles’ liebster intellektueller Beschäftigung.
Seine biologischen Bücher erwiesen sich als die besten seiner wissenschaftlichen
Arbeiten, aber genau diese Werke wurden später - vor allem im Mittelalter
- wenig beachtet.
Aristoteles waren Kopfgeburt-Philosophien zuwider. Erkenntnisgewinn
durch bloßes Nachdenken ohne Naturbeobachtung erschien ihm zu banal.
Er beschrieb daher sorgfältig Erscheinung und Eigenart von Tieren.
Seine Arbeiten umfassen ungefähr 500 Tierarten. Die Beschreibung
der Tierwelt wäre noch keine besondere Leistung gewesen sein, aber
Aristoteles ging weiter. Er erkannte, dass verschiedene Tiere in Gruppen
eingeteilt werden können. Zum Beispiel ergab sich aus Aristoteles'
Beobachtung des Delphins, dass dieses Tier einem Fisch nicht ähnlich
ist, obgleich eine oberflächliche Betrachtung seine Zugehörigkeit
zu den Fischen nahe legte. Der Delphin hat, so erkannte Aristoteles, keine
Kiemen sondern Lungen. Er ist außerdem ein Warmblüter und bringt
lebende Junge zur Welt, die vor der Geburt über eine Nabelschnur
ernährt werden. Aristoteles behauptete aufgrund dieser Beobachtungen,
dass die Gruppe der Wale (und Delphine) mit den Säugetieren und nicht
mit den Fischen verwandt sei. Mit dieser und anderen Überlegungen
war Aristoteles seiner Zeit über zweitausend Jahre voraus, denn die
Wale wurden im Mittelalter zu den Fischen gerechnet. Aristoteles sah auch,
wie die Natur stufenweise in Richtung auf den Menschen fortschritt.
Aristoteles gilt als Begründer der Zoologie, aber das Pflanzenreich
hatte er vernachlässigt. Nach seinem Tode führte sein Schüler
Theophrastus die Biologie als Wissenschaft mit der Botanik (Pflanzenkunde)
fort. Zur Zeit der kirchlichen Inquisition galt Aristoteles als der Autor,
der die Wissenschaft vom Universum vollendet hatte. Seiner Lehre zu widersprechen
oder sie zu erweitern galt als so gefährlich, dass die Biologie über
Jahrhunderte hinweg ein Schattendasein führen musste.
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