Unser Körper ist ein „offenes System“. Material und Energie gehen hinein, werden mehrfach umgebaut, und was nicht benötigt wird, verschwindet wieder in die Umwelt. Im Laufe der Evolution wurden die dafür nötigen Prozesse optimiert. Die Nahrung wird im Magen-Darmtrakt chemisch in kleinste Bestandteile zerlegt und können so durch die Darmwand in den Blutkreislauf gelangen. Was nicht zerlegt werden kann, wie etwa Zellulose, kommt in kompakter Form am unteren Ende wieder heraus. Sind Gärungsprozesse mit im Spiel, werden die Abfallmengen mitunter von Gasen begleitet.
Den für die Energiegewinnung nötigen Sauerstoff holen wir uns durch die Lungen in den Körper. Bei allen Verbrennungs- und anderen Stoffwechselvorgängen entsteht Müll, den wir nicht verwerten können. Da ist einmal das Kohlendioxid, das wir durch die Lunge nach außen befördern. Kohlendioxid ist zwar nicht giftig, aber gemeinsam mit Wasser entsteht Kohlensäure, und davon sollte in unseren Zellen nicht zu viel entstehen. Schließlich gelangt durch die Nahrung auch stickstoffhaltiges Material in den Körper. Den Stickstoffüberschuss bauen unsere Zellen in eine wasserlösliche Form um, die bekannte Harnsäure. Sie wird in den Nieren aus dem Blut gefiltert und in flüssiger Lösung entsorgt. Alle Körperausscheidungen des Menschen können in der Natur verwertet werden. Dieses Recycling funktioniert, seit es Leben gibt auf der Erde.
Eine intakte Müllabfuhr ist für alle Lebewesen von zentraler Bedeutung. Wir alle wissen, was passiert, wenn Darm, Lunge, Nieren und andere Organe versagen. Die oben beschriebenen Vorgänge sind bekannt, aber was passiert in den Körperzellen? Der Japaner Yoshinori Ohsumi war der erste, der sich der Lösung dieser schwierigen Aufgabe widmete. Im Zuge seiner Forschungen entdeckte Ohsumi einen Mechanismus, der „Autophagie“ genannt wird. „Phageín“ ist griechisch und bedeutet fressen. Autophagie heißt demnach „sich selber fressen“. Ohsumi erging es wie den meisten Wissenschaftlern, die mit etwas Neuem daherkommen. Er wurde zunächst nicht ernst genommen.
Bald aber erkannten Biologen, welch fundamentale Bedeutung Ohsumis Entdeckung hat. In den Zellen entstehen während der Stoffwechselvorgänge auch defekte Moleküle, die sofort weggefressen werden müssen. Ausgebrannte Mitochondrien, die Kraftwerke der Zelle, werden ebenfalls durch Autophagie entfernt. Da der Prozess der Autophagie unter anderem bei Krebs und neurologischen Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer eine Rolle spielt, kann hier ein besseres Verständnis der molekularen Vorgänge entstehen. Sollte es jemals Therapien gegen diese Krankheiten geben, so hat Ohsumi den Weg dorthin gewiesen.