Schriftliche Beurteilungen von Arbeitskräften sollen keine negativen Begriffe enthalten. Aus diesem Grund sind im Laufe der Zeit Phrasen entstanden, die auch im Internet zu finden sind. Nicht anders ist es in den Schulen, in denen es bereits verbale Beurteilungen gibt. Der Satz „Kevin arbeitet bei Interesse mit, er erledigt seine Hausaufgaben mehr oder weniger fristgerecht“ klingt zunächst nicht übel. In Wahrheit ist das ein ziemlich hartes Urteil. Die Wissenschaften bilden bei diesen Wortspielereien keine Ausnahme. Ein Beispiel sei hier erwähnt.
Zu Beginn des letzten Jahrhunderts entstanden Theorien über den inneren Aufbau des Atoms. Den Anfang hatte der Däne Niels Bohr gemacht, als er das von Max Planck entdeckte Energiequant in sein Atommodell einbaute. Elektronen hüpfen von einer Energiestufe zu einer anderen. Das war die Geburt des Quantensprungs. Der deutsche Physiker Arnold Sommerfeld verfeinerte die Idee. In der Folge sprach man vom „Bohr-Sommerfeldschen Atommodell“. Als dieses Modell an seine Grenzen stieß, warteten alle auf die nächste plausible Theorie, die man zunächst nur Genies wie Bohr oder Einstein zutraute. Diese Theorie kam schließlich von einem jungen Deutschen, der erst Anfang zwanzig war: Werner Heisenberg. Er entwarf ein Modell, das als Matrizen- oder Quantenmechanik bekannt wurde. Matrizen sind für Mathematiker schwer zu handhaben, für Laien gar nicht. Einerseits waren die Atomphysiker erfreut, dass es etwas Neues gab, das mit experimentellen Daten kompatibel war, andererseits beklagten sich viele über die schwer zu benutzenden Matrizen.
Da meldete sich der österreichische Physiker Erwin Schrödinger zu Wort. Er deutete die Elektronen in einem Atom nicht als Teilchen, sondern als stehende Wellen. Demzufolge nannte er seine Theorie „Wellenmechanik“. Stehende Wellen kann man an Musikinstrumenten beobachten, am besten an den Saiten einer Gitarre oder eines Klaviers. Schrödingers Gleichungssystem war klar und für Mathematiker so mühelos anzuwenden, dass sich viele Physiker begeistert zeigten. Werner Heisenberg war sauer: „Je mehr ich über den physikalischen Teil der Schrödingerschen Theorie nachdenke, desto abscheulicher finde ich ihn … mit anderen Worten, ich finde, es ist Mist.“ Bohr drückte sich diplomatischer aus. Er meinte, Schrödingers Theorie sei „interessant“. Alle Physiker wussten damals, was Bohrs Diagnose im Klartext bedeutete. Für Bohr war Schrödingers Theorie leeres Gerede. Physiker änderten später diese abfällige Auffassung und fügten Heisenbergs und Schrödingers Theorien zusammen. Nach wie vor gilt aber: Charmant klingende verbale Beurteilungen können durchaus bösartig sein.