Der neuseeländische Professor John Hattie hat in seiner gigantischen Studie „Visible Learning“ (erkennbares Lernen) mehrere Faktoren gefunden, die zum Bildungserfolg führen. Der wichtigste Einfluss von allen: der Lehrer. Das ist insoferne plausibel, als so gut wie alle Biografien großer Persönlichkeiten mindestens einen guten und prägenden Lehrer erwähnen.
Der amerikanische Physiker und Nobelpreisträger Richard Feynman war nicht nur ein großartiger Wissenschaftler, er war auch ein begnadeter Lehrer, dessen Vorlesungen auch 25 Jahre nach seinem Tod noch verwendet werden. Feynman begründete die Nanotechnologie, indem er seine Kollegen und Studenten dazu aufforderte, einen Elektromotor zu bauen, der nicht größer als 0,25 Millimeter ist. Feynman bot 1.000 Dollar, ein halbes Jahr später war er sein Geld los und die Technik um eine Sparte reicher.
Der österreichische Nobelpreisträger Wolfgang Pauli war gefürchtet, weil niemand vor seiner Kritik sicher war: „Das ist nicht richtig, das ist nicht einmal falsch“, urteilte er einmal abfällig über die Arbeit eines Kollegen. Es gab nur einen Menschen, den Pauli verschonte. Es war der Physiker Arnold Sommerfeld, dem es gelungen war, seine Studenten zu begeistern. Über ihn sagte Pauli: „Sommerfeld vereinte in glücklicher Weise den Typus des Forschers und des Lehrers, wie es nur wenigen gelungen ist. Zahlreiche Professuren für theoretische Physik in den verschiedensten Ländern wurden mit Schülern Sommerfelds besetzt.“
Der größte Experimentalphysiker des 20. Jahrhunderts, Ernest Rutherford, war bei seinen Studenten nicht nur beliebt, er regte sie auch zu bahnbrechenden Experimenten an, wie etwa die Zertrümmerung von Atomen mit beschleunigten Protonen oder die Entdeckung des Neutrons, dessen Existenz Rutherford vorausgesagt hatte.
Ich hatte als Student das Glück, außergewöhnliche Lehrer erleben zu dürfen. In Salzburg besuchte ich Blockvorlesungen des Nobelpreisträgers Konrad Lorenz, der Naturwissenschaften besonders packend vermittelte. Auch in Tübingen erlebte ich brillante Professoren, darunter Wilhelm Seyffert, dessen 1.200 Seiten umfassendes Standardwerk „Lehrbuch der Genetik“ immer noch verlegt wird. Der gute Pädagoge zeichnet sich nicht dadurch aus, dass er mehr vorträgt als andere. Der besondere Lehrer erzieht zum kritischen Denken, er fordert auf, Dinge in einem neuen Licht zu sehen und er regt an, Zusammenhänge zu erkennen. Er hat ein Problem mit jeder Form von Ideologie. Obrigkeitlich reguliertes Denken und Ratschläge selbsternannter „Experten“ sieht er besonders kritisch. Gute, freie und gerechte Lehrer gehabt zu haben macht dankbar und ist inspirierend. Ein Leben lang.