Der 2,5 Tonnen schwere deutsche Forschungssatellit Rosat („Röntgensatellit“)
ist ein Kind des kalten Krieges. Geheime Atombombenversuche können
am besten durch das Suchen nach starken Röntgenquellen festgestellt
werden. Nachdem in den Siebzigerjahren unerwartet viele solcher Röntgenstrahler
durch Spionagesatelliten entdeckt worden waren, war klar, geworden,
dass die Röntgenstrahlen nicht von der Erde, sondern aus dem Weltall
kommen mussten. Das deutsche Bundesministerium für Forschung und
Technologie gab daraufhin Rosat in Auftrag, der bei Dornier in Friedrichshafen
unter Beteiligung deutscher, amerikanischer und britischer Physiker
gebaut wurde. Das fliegende Röntgenteleskop sollte ursprünglich
mit einem Space Shuttle in eine Erdumlaufbahn gebracht werden, doch
nach dem Absturz von „Challenger“ schoss man Rosat mit einer
konventionellen Delta-II Rakete am 1. Juni 1990 ins All. Der Satellit
wurde vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen bei
München kontrolliert, die wissenschaftliche Leitung oblag dem Max
Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching.
Rosat, die Röntgenversion des Hubble-Teleskops, umkreiste die
Erde anfangs in 580 Kilometern Höhe. Er hatte die beste Technik
an Bord, die Spiegel seines „Wolterteleskops“ waren im Guiness-Buch
der Rekorde als glatteste Spiegel der Welt verzeichnet. Die Instrumente
umfassen Teilchenzähler, einen hoch auflösenden Detektor für
Röntgen- und UV-Strahlung und eine Weitwinkelkamera. Rosat suchte
alle Winkel des Universums ab und entdeckte dabei rund 125.000 Röntgenquellen
und fünfhundert Objekte mit extremer ultravioletter Strahlung.
Weiters wurde die kosmische Hintergrundstrahlung (das Echo des Urknalls)
neu vermessen, viele Quasare und Neutronensterne sowie Überreste
mehrerer Supernovae wurden entdeckt. Rosat zählt damit zu den erfolgreichsten
wissenschaftlichen Projekten der Kosmologie. Mehr als siebenhundert
Astrophysiker haben aus den Daten tausende wissenschaftliche Publikationen
gemacht.
Gegen Ende der Neunzigerjahre häuften sich die Pannen, am 12.
Februar 1999 wurde der Satellit endgültig abgeschaltet. Ursprünglich
sollte Rosat von einem Space Shuttle eingesammelt und wieder zur Erde
gebracht werden, aber darauf wurde verzichtet, weswegen Rosat nun zum
Problemsatelliten wurde. Sein Bahnradius wird allmählich kleiner,
zurzeit fliegt er führungslos in 370 Kilometern Höhe und kommt
der Erde näher. Den letzten Berechnungen zufolge wird Rosat zwischen
Oktober und Dezember dieses Jahres abstürzen. Wegen seiner Größe
und kompakten Bauweise wird er nicht vollständig verglühen.
Die Trümmer könnten auch Europa treffen.