In unserer Demokratie darf man bekanntlich alles behaupten, solange
damit keine Rufschädigung oder ein ähnliches Delikt verbunden
ist. Dies gilt auch im Bereich der Wissenschaft. Es darf behauptet werden,
dass die Erde eine Scheibe ist, dass Menschen und Saurier gleichzeitig
gelebt haben, wobei sich die Frage stellt, wer sich wen als Haustier
gehalten hat. Es darf auch behauptet werden, dass die Strahlen eines
Mobiltelefons Hirntumore auslösen. Das Ganze darf mit dem vorangeschalteten
Satz „Es wurde wissenschaftlich eindeutig bewiesen, dass …"
verbreitet werden.
Sollte versucht werden, derartige Behauptungen in eine renommierte
Fachzeitschrift oder in das Programm eines Fachkongresses zu bringen,
wäre Schluss mit dem Unfug. Papier jedoch ist geduldig und lässt
sich drucken. Auch das Internet saugt wie ein Schwamm alles auf –
von der Qualität bis zum intellektuellen Abfall. Für den Laien
ist es schwer, zwischen echten und vermeintlichen wissenschaftlichen
Erkenntnissen zu unterscheiden. Es gibt allerdings gewisse Möglichkeiten,
die Spreu vom Weizen zu trennen. In den letzten Jahren haben Bücher,
in denen die angebliche Gefährlichkeit von Mobilfunkstrahlen „wissenschaftlich
bewiesen“ wurde, zugenommen.
Das elektromagnetische Spektrum reicht von den Radiowellen, Mikrowellen,
Licht und UV bis hin zu den Röntgen- und Gammastrahlen. Mobilfunkgeräte
und ihre Anlagen senden in einem Wellenbereich, dessen Quantenenergie
weit unterhalb des sichtbaren Lichtes liegt. Erstaunlicherweise wird
in all den Werken, in denen es um die Gefahr von Mobilfunkanlagen geht,
das gesamte Strahlenspektrum meist ignoriert.
Wenn Elektronen beschleunigt und hernach abgebremst werden, entsteht
Bremsstrahlung. Die Frequenz und die damit verbundene Energie der Strahlung
hängen von der Geschwindigkeit der Elektronen ab. Auf diese Weise
kann man Röntgenstrahlen erzeugen. Genau das passiert auch in
Röhrenbildschirmen, wie sie immer noch bei TV-Geräten und
bei Computern benützt werden. Die Röntgenstrahlen aus dem
Röhrenbildschirm sind energieärmer als die eines Röntgengerätes,
aber immer noch um Größenordnungen höher als bei Mobilfunkanlagen.
(Röntgengeräte arbeiten mit ca. 100.000, Röhrenbildschirme
mit etwa 25.000 Volt Spannung). Strahlengefahren im Alltag kann man
nur durch Langzeitstudien nachweisen, was wegen der jahrelangen Nutzungsdauer
bei Röhrenbildschirmen, nicht aber bei Mobilfunkanlagen möglich
wäre. Bücher, in denen vor „Handystrahlen“ gewarnt
wird, die Röntgenstrahlen der Röhrenbildschirme aber nicht
einmal erwähnt werden, können getrost in die Altpapiertonne
getreten werden.