In der Reihenhaussiedlung „Santa Luzia“ lässt sich
Anna O. durch ihre Enkelin Sabine fünf Elektrokerzen auf der Fensterbank
installieren. Vorweihnachtliche Stimmung und stille Freude breiten sich
aus. Beim Entleeren des Mülleimers beobachtet Nachbar Helmut K.
die provokante Lichterattacke und kontert mit der Aufstellung seines
zehnarmigen schwedischen Kerzensets zu je 15 Watt im Küchenfenster.
Auch diese Adventoffensive bleibt nicht unbemerkt. Die Nachbarn rüsten
augenblicklich nach. Zwei Stunden später erstrahlt die gesamte
Siedlung Santa Luzia im besinnlichen Glanz von über dreihundert
Fensterdekorationen.
Im Kraftwerk Fullpauer-Süd registriert kurz darauf der wachhabende
Ingenieur einen deutlichen Ausschlag der Strommessgeräte, bleibt
aber zunächst arglos. Den Eheleuten Robert und Andrea J. gelingt
der Anschluss von 126 Halogen-Filmleuchten durch die Bäume ihres
Obstgartens ans Drehstromnetz. Die Singvögel der Umgebung beginnen
verwirrt mit dem Nestbau. Der Discothekenbesitzer Manfred H. sieht sich
seinerseits genötigt, einen Teil zur vorweihnachtlichen Stimmung
beizutragen und montiert auf dem Flachdach seines Hauses das Laserensemble
"Supernova", das zu den leistungsstärksten Lichtanlagen
Europas zählt. Die Fassade des angrenzenden Getreidesilos hält
der übermächtigen Projektion mehrere Minuten stand, bevor
der Verputz herunterbröselt.
Im Trubel einer besinnlichen Weihnachtsfeier im Kraftwerk Fullpauer-Süd
bleibt das Alarmsignal aus der Generatorhalle ungehört. Währenddessen
projiziert der 90 jährige Kriegsveteran Rudolf G. mit 35 Flakscheinwerfern
der Marke „Varta Bombertod“ den Stern von Bethlehem an die
dichte Wolkendecke. Eine Gruppe arabischer Geschäftsleute in sommerlicher
Kleidung irrt unterdessen verstört durch die Siedlung Santa Luzia.
Zuvor war ein Airbus der Saudi Arabian Airlines versehentlich auf der
mit tausend bunten Neonröhren gepflasterten Zufahrt zum örtlichen
Supermarkt gelandet.
Ein Beben erschüttert die Umgebung des Kraftwerks Fullpauer-Süd.
Der gesamte Komplex mit seinen vier Turbinengruppen läuft bereits
zehn Prozent über der vorschriftsmäßigen Belastungsgrenze.
In der taghell erleuchteten Siedlung Santa Luzia erwacht die Studentin
Ernestine S. und freut sich irrtümlich über den sonnigen Dezembermorgen.
Um 23:40 Uhr betätigt sie den Schalter der Kaffeemaschine. In die
plötzliche Dunkelheit des gesamten Bezirkes bricht die Explosion
des Kraftwerks Fullpauer-Süd wie ein apokalyptischer Donnerhall.
Durch die lichtlosen Ortschaften irren entgeisterte Menschen, denen
die Kerzen auf dem Adventskranz nicht genug waren.