Anlässlich der Präsentation der letzten PISA-Ergebnisse machte
Unterrichtsministerin Schmied eine interessante Feststellung. Sie sagte,
dass Kinder aus bildungsnahen Familien mehr Bildung erhielten, und das
sei ungerecht. Lassen wir einmal die Frage nach der Gerechtigkeit, die
längst in einem Übermaß beschworen wird, beiseite. Betrachten
wir nüchtern die Frage, ob Bildung tatsächlich ungleich verteilt
ist.
In den Siebzigerjahren tauchte das schauderhafte Wort „Arbeitsleid“
auf. Dieser Begriff sickerte auch in die Schulen und führte zu
einem von Politikern verordneten Bildungsabbau, der bis heute andauert.
In den Gymnasien wurden die Trimester zugunsten der Semester abgeschafft.
In der Folge gab es weniger Prüfungen, weniger Schularbeiten, weniger
Tests. 1973 kamen die „Energieferien“, die vom Tourismus
kurzerhand okkupiert wurden. Eine ganze Schulwoche wurde ersatzlos gestrichen.
Später folgten trotz Warnungen engagierter Lehrer, Schulärzte
und Eltern die schulautonomen Tage, die Herbstferien und mehrere Wellen
gedankenloser Stundenkürzungen. Der Rest wurde nach der Einführung
der schulfreien Samstage in fünf Wo-chentage gequetscht, was für
eine sinnvolle Nachmittagsbetreuung kaum noch Zeit lässt.
Drei Jahrzehnte lang wurde gestrichen und gestutzt. Eine Vorarlberger
Schulärztin hat in einem Jahresbericht eine Statistik veröffentlicht,
der den von Politikern angeordneten Bildungsabbau in seinem ganzen Ausmaß
zeigt. 1970 gab es, wenn man die letzten Schultage nicht rechnet, pro
Schuljahr rund 210 Lerntage in den Schulen. Im Schuljahr 2008/09 gab
es nur noch 170 Lerntage. Wenn man die restlos verbürokratisierte
erste Schulwoche, Wienfahrten, Romfahrten, Projektwochen usw. abzählt,
dann kommt man auf rund 160 bis 165 Tage des Unterrichts in den Schulen.
Die Schul-Lerntage reduzierten sich in einer Generation von knapp 60
Prozent aller Tage im Jahr auf nunmehr 45 Prozent. Die Freizeit hat
enorm zugenommen, und das ist ein Grund für die unterschiedliche
Entwicklung in unserer Gesellschaft. Das Bildungsbürgertum hat
beim Bildungsabbau nicht nur nicht mitgemacht, sondern das reichliche
Freizeitangebot in Form sinnreicher Aktivitäten und Engagements
genutzt.
Bildungsfernere Jugendliche füllten ihre Freizeit eher mit Fernsehen
und nächtelangen Computerspielen, was von lernschwachen Schülern
im Gespräch sogar zugegeben wird. Reparaturversuche der Fehlentwicklungen
durch teure strukturelle Reformen bewirkten bei unseren kümmerlichen
45 Prozent-Rumpfschulen nichts mehr. Jede weitere „Entlastung“
würde die Gräben zwischen den Bildungswilligen und Bildungefernen
nur noch weiter vertiefen.