„BOCTOK“ ist russisch, wird „Wostok“ ausgesprochen
und bedeutet „der Osten“. Fast könnte man meinen, unser
kleines Land sei gemeint, denn „Austria“ ist nichts anders
als die (später erfundene) lateinische Version des althochdeutschen
„Auster“, was ebenfalls Osten bedeutet. Wostok war der Name
der ersten bemannten sowjetischen Raumfahrtmission und jahrelang der
schlimmste Alptraum Amerikas.
Juri Gagarin war mit einer Ärztin verheiratet und Kampfpilot bei
einer Fliegereinheit der Nordmeerflotte. Stationiert war er in der Nähe
von Murmansk am Polarkreis. 1960 wurde er wegen seiner Intelligenz und
Nervenstärke als Kosmonaut ausge-wählt. (Die Raumfahrer der
USA werden „Astronauten“ genannt). Von März 1960 bis
Jänner 1961 erhielt Gagarin als Mitglied einer Gruppe von zwanzig
Luftwaffenpiloten eine intensive Vorbereitung. Die Ausbildung zum Kosmonauten
war im Vergleich zu heute kaum mehr als eine Improvisation, denn niemand
wusste damals, ob und wie lange Menschen Schwerelosigkeit ertragen würden.
Der erste bemannte Raumflug verzögerte sich mehrmals. Zunächst
wurde das Projekt „Venera 1“ vorgezogen. Venera 1 startete
am 12. Februar 1961 und gelangte als erste Raumsonde in die Nähe
der Venus. Die nächste Verzögerung ergab sich durch die Explosion
einer R-16-Rakete auf der Startrampe, wobei über hundert Menschen
ihr Leben verloren. Inzwischen waren mehrere Testflüge mit Prototypen
des Wostok-Raumschiffes durchgeführt worden, die nicht alle glückten.
In drei Fällen waren Hunde an Bord, von denen nicht alle überlebten.
Am 8. April wurde Juri Gagarin von einem Komitee als erster Kosmonaut
ausgewählt. Vor dem Start wurde Gagarin das Funkrufzeichen „Kedr“
(Zeder) zugewiesen. Die Bodenstation hieß „Sarja-1“
(Morgenröte). Um 9:07 Uhr hob Wostok-1 ab. Gagarin meldete, dass
ihm die Beschleunigung und die nachfolgende Schwerelosigkeit keine Probleme
bereiteten. Vor und während des Eintritts in die Erdatmosphäre
gab es lebensgefährliche technische Probleme. In 7.000 Metern Höhe
verließ Gagarin per Schleudersitz die Wostok-Kapsel, worauf er
mit einem Fallschirm in der Nähe der Wolga landete.
Vor fünfzig Jahren, am 12. April 1961, flog Juri Alexejewitsch
Gagarin als erster Mensch in eine Erdumlaufbahn. Das war nach dem Flug
des ersten Satelliten „Sputnik 1“ und des ersten Lebewesens
im Weltall (Hündin Laika) die dritte Demütigung der USA durch
die Sowjetunion. Dieser sowjetische Vorsprung hielt bis zur ersten Mondlandung
der Amerikaner im Sommer 1969. Major Gagarin erlebte den amerikanischen
Triumph nicht mehr. Er verunglückte am 27. März 1968 mit einer
MiG-15 tödlich, nachdem ihm ein Suchoi-Bomber zu nahe gekommen
war.