In den letzten Jahren ist im Bereich der Paläontologie - das ist
die Wissenschaft von den ausgestorbenen Lebewesen - so viel entdeckt
worden, dass man kaum noch mit den Auswertungen nachkommt.
Die Vögel gelten innerhalb der Wirbeltiere – eigentlich
sind es „Chordatiere“ – als eigene Klasse. Die Zoologen
wussten immer schon, dass die Vögel den Reptilien entwicklungsgeschichtlich
sehr nahe stehen. Seit immer mehr Fossilien gefiederter Saurier auftauchen,
zählen einige Zoologen die Vögel zu einer Klasse mit den Echsen.
Wären die gefiederten Saurier nicht ausgestorben, würden wir
die Vögel seit Beginn der Wissenschaften zu den Echsen zählen.
Die Reptilien bestünden nur aus Schlangen und Schildkröten.
So gesehen gibt es keine Lücken zwischen den Tiergruppen. Apropos
Lücken. Lange Zeit war nicht klar, wie die Schildkröten zu
ihrem Panzer kamen, denn so ein Körperteil kann nicht von heute
auf morgen entstehen. Jetzt wissen wir es. Ein vor kurzem entdecktes
Fossil erzählt die Geschichte. Ein Urahn der Schildkröten
hört auf den Namen „Odontochelys semitestacea“. Er
hatte eine knöcherne Bauchplatte, über den Rückenwirbeln
lagen verknöcherte Abschnitte und die Rippen waren breit und abgeflacht:
Ein Schildkrötenpanzer in Entstehung.
Nicht nur Fossilien erzählen Geschichten, auch lebende Tiere beantworten
Fragen. Wenn Lebewesen vor einer halben Milliarde Jahren an Land gingen
und Lungen aus ihren Fischblasen entwickelten - ein Vorgang, der heute
bestens bekannt und untersucht ist - warum kann man dann nicht den umgekehrten
Vorgang beobachten? Bekanntlich kehrten Tiere im Laufe der Entwicklung
des Lebens wieder vom Land ins Wasser zurück, wie die Robben und
Wale. Tatsächlich gibt es eine Entwicklung vom Land ins Wasser
(„Rückenwicklung“ wäre ein falscher Ausdruck).
Einige Meeresschildkröten haben neben dem After gut durchblutete
Kammern, mit denen sie die Hälfte ihres Sauerstoffbedarfs aus dem
Wasser decken. Neben Kiemenatmern und Lungenatmern existieren somit
auch noch Hinternatmer.
Es gibt noch Lücken in der Wissenschaft vom Leben, aber sie werden
mit jedem Jahr kleiner und weniger. Die Prognose ist berechtigt, dass
in der Mitte dieses Jahrhunderts eine durchgehende Geschichte der Lebewesen
mit allen Abstammungslinien vorliegen wird. Den Grund, warum noch immer
– auch gebildete – Menschen an der Evolution des Lebens
Zweifel hegen, hat der britische Genetiker und einer der Begründer
der Evolutionsgenetik, John Burdon Sanderson Haldane (1892-1964), so
ausgedrückt: „Der zweite und dritte Bildungsweg hat es ermöglicht,
dass sich auch musisch und literarisch begabte Menschen weit über
ihre analytischen Fähigkeiten hinaus bilden können.“