Der Begriff der Selektion gelangte durch den Biologen Charles Darwin
zu internationaler Berühmtheit, als er 1859 sein Buch „Über
die Entstehung der Arten“ herausbrachte. Darwin behauptete, dass
es innerhalb einer Tier- oder Pflanzenart eine Vielfalt gibt, wobei
die Natur den besser angepassten Typen den Vorzug gibt. Was Darwin nicht
wusste, waren die Ursachen der Vielfalt. Das ist heute bestens untersucht.
Wir kennen seit den Sechzigerjahren des 20. Jahrhunderts die wesentlichen
biologischen Ursachen und Folgen der Vielfalt sowie die Wirkung von
Selektion.
Einige Details der selektiven Wirkung sind besonders interessant. Gibt
man beispielsweise zu einer Laborpopulation von Tieren – meist
verwendet man Insekten – eine schädliche Mutante, dann wird
diese selektiert. Sie ist in der Konkurrenzsituation nicht überlebensfähig.
Erzeugt man mit Hilfe genetischer Tricks eine Population aus (fast)
gleichen Tieren, dann wird eine beigefügte Mutante nicht wegselektiert,
sondern wird in die Population bis zu einem bestimmten Prozentsatz eingebaut.
Der Effekt heißt „Heterosis“ und wurde in zahllosen
Experimenten überprüft. In der Natur hat Vielfalt einen besonders
hohen Stellenwert, auch wenn dies über eine Verschlechterung des
Genpools erreicht wird. Wenn die Natur nicht selektiert, dann tut dies
der Züchter. Es ist absolut unmöglich, Selektion zu verhindern.
Selektion wirkt auch in allen menschlichen Gesellschaften, wobei das
Wort durch die in den Konzentrationslagern umgekommenen Opfer negativ
belegt ist. Die Menschen wurden in arbeitsfähige und nicht arbeitsfähige
„selektiert“. Aus diesem Grunde wird das Wort „Selektion“
heute für politische Zwecke missbraucht. Man solle in den Schulen
nicht oder nicht zu früh selektieren, heißt es regelmäßig.
Politiker, die gerne von „Selektion“ reden, haben dabei
von der wahren selektiven Macht der Natur keine Ahnung. Es haben seit
Jahrtausenden Kaiser, Könige, Päpste, Philosophen, Diktatoren,
Ideologen oder einfältige Politiker im Namen einer fragwürdigen
„Gerechtigkeit“ versucht, die Menschen gleich zu machen.
Es ist ihnen bis heute nicht gelungen, und es wird auch niemals gelingen,
denn die Menschen selektieren untereinander wesentlich stärker
als uns allen bewusst wird. Die härtesten Selektierer sind die
Teenager. Sie und sonst niemand bestimmen, wer zur Clique gehört.
In den Schulen, auch in den Universitäten und erst recht am Arbeitsmarkt
wurde und wird immer selektiert, auch wenn nette Politiker ständig
irgendwelche „Hürden abbauen“ wollen. Selektion ist
ein eisernes Naturgesetz, das man da und dort mildern kann, das aber
genauso wenig verschwindet wie die Schwerkraft.