Wir saßen nebeneinander im Hörsaal des Instituts für
Zoologie in Salzburg und teilten unsere Begeisterung für die Naturwissenschaften
im Allgemeinen und die Biologie im Besonderen. Wir schlossen beide unser
erstes Studium ab, er als Diplombiologe, ich mit der Lehramtsprüfung.
Danach gingen wir getrennte Wege, blieben aber über all die Jahre
in Kontakt. Er blieb zunächst bei den Zoologen in Salzburg, später
ging er in die USA. Mich zog es nach Deutschland.
„Kurtl“, wie ich ihn heute noch nenne, verfasste wissenschaftliche
Artikel über die Evolution der Fische und zur Funktion von Sinnes-
und Nervensystemen, wobei er die Lehre seines Vorbilds Konrad Lorenz
nie aus den Augen verlor. Lorenz, einer der Väter der vergleichenden
Verhaltensforschung, hatte 1973 den Nobelpreis für die Erweiterung
der Evolutionstheorie durch die biologischen Grundlagen unseres Verhaltens
erhalten. Konrad Lorenz, der damals noch Vorlesungen in Salzburg hielt,
hatte uns nachhaltig geprägt. Als bekannt wurde, dass unser Lehrmeister
ein nationalsozialistischer Mitläufer war, glaubten einige Widersacher,
die vergleichende Verhaltensforschung im Ganzen diskreditieren zu können,
was aber glücklicherweise nicht gelang.
Nach dem Tod von Konrad Lorenz ereilte Kurt Kotrschal in Colorado der
Ruf zurück nach Österreich. Er übernahm 1990 die Leitung
der Konrad Lorenz-Forschungsstelle im oberösterreichischen Almtal.
In Jahren der Arbeit mit Graugänsen, Raben und Wölfen gelang
es Kurt, die Lorenzsche Lehre von Fehlern zu säubern und der Verhaltensforschung
ein starkes Fundament zu geben. Kurt beschäftigt sich nicht nur
mit allgemeiner Verhaltensforschung, sondern auch mit der Tier-Mensch-Beziehung,
den evolutionären Grundlagen unseres Verhaltens und den Einflüssen
von Hormonen auf das Verhalten von Tieren und Menschen. Mit Hilfe neuer
Methoden gelang es ihm, tief in die Psyche der Tiere einzudringen. 2008
gründete Kurt mit Hilfe von Sponsoren in Grünau das Wolf Science
Center, das später nach Ernstbrunn in Niederösterreich übersiedelte.
In diesem Forschungsinstitut arbeiten mehrere Biologen an der Frage,
wie sich Hunde - immerhin das älteste Haustier des Menschen - von
ihrem wölfischen Urahn unterscheiden, und welche Zuchtstrategien
vom Wolf zum Hund führten.
Univ. Prof. Dr. Kurt Kotrschal zählt heute nicht nur zu den besten
Verhaltensforschern der Welt, er ist auch ein hervorragender Kommunikator.
Er arbeitete an wissenschaftlichen TV-Serien mit, und er schreibt regelmäßig
für Tageszeitungen und Magazine. Am 10. Jänner 2011 wurde
er vom „Club der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten Österreichs“
zu Recht zum Wissenschaftler des Jahres 2010 gewählt.