Es gab einmal, man glaubt es kaum, Nobelpreise für Österreicher
in Chemie. Das waren Fritz Pregl (1923) mit seiner von ihm entwickelte
Mikroanalyse organischer Substanzen, Richard Zsigmondy (1925) für
die Aufklärung der Natur kolloidaler Lösungen und Richard
Kuhn (1938) für seine Arbeiten über Carotinoide und Vitamine.
Kuhn war Nationalsozialist, als Schüler des Bundesgymnasiums XIX
in Wien war er Banknachbar des späteren Physiknobelpreisträgers
und Juden Wolfgang Pauli. Seit dieser Zeit gab es keine Chemienobelpreise
mehr für Österreicher, denn der früh aus Österreich
vertrieben Max Perutz (Chemienobelpreis 1962) wird heute als Engländer
gezählt. Man sollte sich diese für unser Land unangenehmen
Details in Erinnerung rufen, wenn alljährlich von Nobelpreisen
die Rede ist.
Bei den Chemienobelpreisen des Jahres 2010 steht, wie bei den Physiknobelpreisen,
das Kohlenstoffatom im Mittelpunkt. Der Preis wurde vergeben für
die „Palladium katalysierte Kreuzkupplung in der organischen Synthese“.
Die drei Chemienobelpreisträger, ein Amerikaner und zwei Japaner
namens Richard Heck, Ei-Ichi Negishi und Akira Suzuki sind für
Chemiker keine Unbekannten, denn in den Lehrbüchern für Biochemie
sind die Heck-, Negishi- und Suzuki-Reaktion längst vermerkt. Mit
diesen Methoden baut man heute lange Kohlenstoffketten nach dem Vorbild
der Natur nach. Das können Blütenfarben, Giftstoffe, Enzyme
und vieles andere sein. Kleine Moleküle zusammenzubauen ist keine
große Kunst, aber bei Riesenmolekülen, wie sie in Lebewesen
vorkommen, benötigt man spezielle Katalysatoren. Das sind Substanzen,
es können Metalle aber auch Proteine sein, die eine chemische Reaktion
steuern, dabei aber nicht verbraucht werden. Heck, Negishi und Suzuki
benutzten als Katalysator das seltene Element Palladium.
Das silbrig weiße Palladium (Pd) zählt chemisch zu den Metallen
der „Übergangsgruppen“. Nachdem der Zusammenbau großer
Kohlenstoffketten immer wieder zu enormen Problemen geführt hatte,
entdeckten die Chemiker der deutschen Firma „Wacker Chemie“
in den Fünfzigerjahren des letzten Jahrhunderts erstmals die Möglichkeiten,
die ein Palladiumkatalysator bietet. Richard Heck wurde hellhörig,
forschte auf eigene Faust weiter und baute relativ schnell problemlos
und ohne lästige Nebenprodukte ein Styrolmolekül, der Grundbaustein
des weltweit bekannten und viel verwendeten Polystyrols. Die beiden
Japaner Negishi und Suzuki griffen die Idee Hecks auf und entwickelten
einige Jahre später verbesserte Varianten der mit Palladium katalysierten
Kohlenstoffkupplung, mit der es möglich ist, die erwähnten
komplizierten Moleküle der Natur nachzubauen.