Kurz vor der Wahl zum Wiener Gemeinderat schrieb ein bekannter Wiener
Journalist Folgendes: „Nur folgerichtig ist, dass Wien zwar hochattraktiv
für grundsicherungsaffine Zuwanderer oder ruhebedürftige Kohlmarkt-Russen
ist, dafür aber seit Menschengedenken keinen Wissenschaftsnobelpreisträger
hervorgebracht hat, keine global wahrnehmbare Spitzenleistung in der
Kunst, über keine Hochschule verfügt, die Weltrang hätte.
Wohlig wälzt sich Wien im Mittelmaß und fühlt sich auch
noch wohl dabei.“ Was auf den ersten Blick als pure Polemik daherkommt,
ist bei genauerer Betrachtung richtig und teilweise auf ganz Österreichreich
anwendbar.
Die Leistungen einiger Wiener Bühnen seien anerkannt, aber herausragend
ist nichts mehr. Im Leistungssport gibt es zurzeit, von ganz wenigen
Ausnahmen abgesehen, keine international bedeutenden Spitzenleute, und
vom Fußball reden wir lieber gar nicht. Weitgehend Durchschnitt,
mit Ausnahme unseres Staatsrundfunks: Der liegt sogar noch etwas darunter.
Finster schaut es bei den Nobelpreisen aus. Bis zum Zweiten Weltkrieg
brachten die österreichischen Universitäten viele Nobelpreisträger
hervor, denn wir waren einmal eine wissenschaftliche Großmacht.
Namen wie Landsteiner und Pregl kennt aber heute kaum noch jemand. Nach
dem Weltkrieg lag das politische Hauptinteresse - so wie in Deutschland
- am Wiederaufbau. Während es in Deutschland danach gelang, den
sprichwörtlichen deutschen Erfindergeist neu zu erwecken und den
Anschluss an die Weltelite zu finden, holte man bei uns die vertriebenen
Wissenschaftler, darunter viele Juden, nicht zurück. Der österreichische
Wissenschaftsbetrieb vertrocknete bis auf einige wenige Institute. Konrad
Lorenz, Max Perutz und die anderen österreichische Nobelpreisträger
nach dem Zweiten Weltkrieg verdienten ihre Auszeichnungen außerhalb
von Österreich. Internationale Vergleiche zeigen, dass die Schweiz
und Deutschland über Eliteschmieden verfügen, wie etwa St.
Gallen, Zürich oder Tübingen. Österreich hat nichts Vergleichbares.
Der Schreiber dieser Zeilen gesteht freimütig, dass er technisch-naturwissenschaftlich
begabten Schülern regelmäßig erfolgreich empfiehlt,
ein Studium an einer ausländischen Universität zu absolvieren.
Das Problem in Österreich ist nicht nur das fehlende Geld, sondern
auch eine armselige Politik. Wenn, wie in vielen Wiener Bezirken, Volksschüler
ausnahmslos mit „Sehr gut“ abgeschlossen werden, wenn weiters
eine Ministerin „Gymnasium für alle“ verlangt und meint,
dass es in der Bildungspolitik „keine Eliten geben darf“,
dann wird das Mittelmaß zum Programm gemacht und der Weg in die
Bedeutungslosigkeit fortgesetzt.