Kaum ein Philosoph der Antike musste posthum so viele Niederlagen einstecken
wie Aristoteles. Das Herz sei das Zentrum der Gefühle, meinte Aristoteles.
Heute wissen wir, dass das Herz eine Pumpe ist, die auf hormonelle Signale
reagiert. Die Sonne sei makellos, meinte Aristoteles, doch dann entdeckte
Galileo Galilei die Sonnenflecken. Aristoteles glaubte, dass sich die
Himmelskörper auf Kreisbahnen bewegten, doch Johannes Kepler wies
nach, dass es sich um Ellipsen handelt. Ganz schlimm erwischte es Aristoteles
mit seiner Himmelskunde. Er betonte, dass sich alle Himmelskörper
um die Erde bewegen, doch Kopernikus, Galilei und alle späteren
Astronomen berichtigten diesen Irrtum. Aristoteles war überzeugt,
dass es keine Atome gibt, doch die Physiker und Chemiker des 19. Jahrhunderts
korrigierten auch diese Fehleinschätzung.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts tauchten zwei Giganten auf, Max Planck
(1858-1947) und Niels Bohr (1885-1962). Planck beschäftigte sich
unter anderem mit der Schwarzkörperstrahlung. Die Strahlung von
schwarzen Körpern – es handelt sich dabei um dunkle röhrenförmige
Gebilde aus Keramik oder Metall - erweckte damals die Neugier der Physiker.
Die Wellenlänge der Schwarzkörperstrahlung hing nicht vom
Material, sondern nur von der Temperatur ab. Oberhalb von 600 Grad Celsius
beginnt ein schwarzer Körper rot, später weiß zu glühen.
Als Planck die Strahlungsdichte eines schwarzen Körpers mit einer
Differenzialgleichung näher untersuchte, erlebte er eine Überraschung.
Er bekam als Lösung statt einer glatten Kurve eine kleine „Treppe“.
Der schwarze Körper gab Energie nicht kontinuierlich ab, sondern
in kleinen Energiepaketen, die man heute „Lichtquanten“
nennt. Planck hatte damit das Fundament der Quantenphysik gelegt, auf
dem der dänische Nobelpreisträger Niels Bohr ein mächtiges
Gebäude errichtete.
Niels Bohr war ein Schüler von Ernest Rutherford, der den Atomkern
entdeckt hatte. Bohr hatte mit dem Atommodell von Rutherford ein Problem.
Er glaubte nicht, dass die Elektronen im Atom um den Kern kreisen, denn
kreisende Elektronen verlieren rasch Energie. Das Atom würde in
diesem Fall spontan in sich zusammenbrechen. Bohr war daher nach Analysen
von Spektralfarben zur Erkenntnis gelangt, dass die Elektronen fest
definierte Stufen besetzen, zwischen denen sie im Atom mit bestimmten
Frequenzen auf- und abschwingen und dabei Lichtquanten schlucken oder
abgeben.
Auch Aristoteles’ geheiligtes Prinzip, wonach die Natur keine
Sprünge macht („natura non facit saltus“) war damit
von Planck und Bohr beerdigt worden. Die Natur macht sehr wohl Quantensprünge.
Winzig klein zwar, aber es sind Sprünge.