In Zeiten, in denen die Säkularisierung zunimmt und der Einfluss
der Religion schwindet, schießen Pseudowissenschaften, Esoterik
und phantastische Erzählung in die Höhe wie der Spargel im
Frühling. Von dieser Entwicklung leben Autoren wie Dan Brown und
Stephenie Meyer.
Ganz besonders wild ins Kraut schossen die „geheimen Codes“.
Die Bibel, der Koran, die Kompositionen Bachs und die Cheops-Pyramide
enthalten angeblich geheime Botschaften von historischer Bedeutung.
Das Ganze erinnert ein wenig an die satirische Erzählung „Per
Anhalter durch die Galaxis“ (Originaltitel: „The Hitchhiker’s
Guide to the Galaxy“) von Douglas Adams. In diesem Werk gibt es
die kürzeste Antwort der Literaturgeschichte, nämlich „42“.
Diese Zahl beantwortet alles über „das Leben, das Universum
und den ganzen Rest“. Unklar bleibt dabei, wie die Frage lautete.
Begonnen hat die Jagd nach „Codes“ im Jahr 1859. Damals
veröffentlichte der englische Schriftsteller John Taylor eine vermeintlich
sensationelle Entdeckung. Die doppelte Grundseitenlänge der Cheops-Pyramide
geteilt durch die Höhe ergibt den Wert 3,14. Das ist bekanntlich
die Kreiszahl „Pi“. Später wurde die Pyramide von einigen
Privatgelehrten erneut vermessen. Der Astronom Charles Smyth behauptete,
dass die Pyramidenbauer ein eigenes Längenmaß verwendeten,
das Pyramidenzoll (2,54 cm). Der Umfang der Cheops-Pyramide beträgt
365,24 Hekto-Pyramidenzoll, und das entspricht der Länge eines
Jahres. Die aufgeregten Botschaften lauteten ab diesem Zeitpunkt, dass
in den Pyramiden geheime Codes steckten. Im Laufe der Zeit wurden die
Code-Deutungen immer phantastischer. Da kannten die alten Ägypter
angeblich das Laserlicht und hatten Kontakt zu Außerirdischen.
Wenn man die Sache nüchtern betrachtet, dann kann man die Behauptungen,
wonach in der Bibel, im Koran, in den Pyramiden oder sonst wo „geheime
Codes“ über das Schicksal der Welt versteckt sind, weder
beweisen noch widerlegen. Historiker, Mathematiker und andere Wissenschaftler
wenden in diesem Fall die Methode des „absurden Vergleichs“
an. Gero von Randow hat das in seinem Buch „Mein paranormales
Fahrrad“ auf den Punkt gebracht. Wenn man Radumfang, Länge
der Speichen, Höhe des Fahrrads, Kettenlänge, Zahl der Kettenglieder,
Zahnräder usw. betrachtet, erhält man einen Haufen Zahlen.
Es dauert nur einige Minuten, bis man in diesen Angaben mit Hilfe eines
Taschenrechners irgendwelche Codes findet. In den USA ist das teilweise
zum Volkssport geworden. Seither werden „geheime Codes“
in Kochbüchern, in der Musik der Beatles, in Fahrplänen –
eigentlich überall – gefunden. Damit entpuppen sich alle
Codes als mathematische Spielereien.