Nur ein Prozent der Erdmasse hat eine Temperatur von unter tausend
Grad Celsius. Unser Leben ist ein Tanz auf einem großen Hochofen
mit einer dünnen Außenhaut. In dieser Haut gibt es Risse,
in denen hie und da heiße Lava aufsteigt und nach außen
dringt. Im Grunde ein völlig normaler Vorgang, der zunächst
Leben zerstört, durch mineralreiche Asche aber langfristig neues
Leben ermöglicht.
Vor dreißig Jahren, am 18. Mai 1980 brach der Mount St. Helens
im Nordwesten der USA aus. Dieser Vulkan ist Teil des „Ring of
fire“, einer sehr aktiven und somit tödlichen Vulkankette
rund um den pazifischen Ozean. Der Mount St. Helens bildet mit zwei
anderen Vulkanen, dem Mount Adams und dem Mount Hood, ein atemberaubendes
Panorama. Hundertzwanzig Jahre hatte der Vulkan in einem Dornröschenschlaf
verbracht, dann erwachte er. Ende März 1980 kam es zu kleineren
Explosionen im Krater. Anfang April zeigten mehrere Beben das Aufsteigen
des Magmas an, an der Nordflanke bildete sich in kurzer Zeit eine hundert
Meter hohe Beule. Die gesamte Region wurde abgesperrt, denn die Geologen
wussten, was nun kommen würde. Der deutsche Geologe Gerhard Wörner
von der Universität Göttingen, der sich damals als Student
in der Region aufhielt, erinnert sich an die Worte eines amerikanischen
Kollegen: „Wir sitzen auf einem Pulverfass, und die Lunte brennt,
aber wir wissen nicht, wie lang die Lunte ist“.
Wörner flog mit Kollegen aus der Region weg, der junge Vulkanologe
David Johnston wurde in einer Beobachtungsstation zurückgelassen,
die nur zehn Meilen vom Vulkan entfernt lag. Als Wörner am 18.
Mai zufällig auf den Seismographen blickte, „spielte der
völlig verrückt. Diese Ausschläge des Erdbebenmessgeräts
gingen von einer Seite des Papiers auf die andere Seite des Papiers.“
Es war soweit. Mit der Gewalt von mehreren Zigtausend Hiroschimabomben
wurde der halbe Berg weggesprengt. Die Landschaft veränderte sich
völlig. Anstelle des Gipfels des Vulkans gähnte ein tausend
Meter tiefes Loch. In einer Region von über fünfhundert Quadratkilometern
gab es nur Verwüstungen. Da der Ausbruch an einem Sonntagmorgen
geschah, gab es nur wenige Opfer.
David Johnston war der erste, der die beginnende Eruption mit den Worten
"Vancouver! Vancouver! This is it!" per Funk meldete. Kurz
darauf wurde er von einer Druckwelle aus fünfhundert Grad heißer
vulkanischer Asche weggefegt. Seine Leiche wurde nie gefunden.
Der Vesuv ist einer der gefährlichsten Vulkane. Sein nächster
Ausbruch ist überfällig. Wenn er explodiert, und das wird
mit Sicherheit geschehen, wird es nicht sechzig Tote geben, wie beim
Mount St. Helens, sondern eine Million.