In mühseliger Kleinarbeit erzeugte und untersuchte der Chemiker
Alfred Bertheim in seinem Labor eine Arsenverbindung nach der anderen,
bis schließlich das Präparat 606 die gewünschte Wirkung
zeigte. Im August 1909 testeten Paul Ehrlich und Sahachiro Hata im Rahmen
einer langen Versuchsreihe das Präparat erfolgreich gegen die Geschlechtskrankheit
Syphilis, die damals mangels an Antibiotika in Europa wie eine Seuche
wütete. Die gefundene chemische Verbindung wurde zunächst
„Salvarsan Bayer 606“, später nur noch „Salvarsan“
genannt. Die Bezeichnung setzt sich aus den lateinischen Wörtern
„salvare“ (retten), „sanare“ (heilen) und dem
Element Arsen zusammensetzte.
Vor hundert Jahren, am 3. März 1910, berichtete der Psychiater
Konrad Alt der medizinischen Gesellschaft in Magdeburg, dass er 27 Syphiliskranke
erfolgreich behandeln konnte, nachdem er das Präparat des bekannten
Arztes und Immunologen Paul Ehrlich zum Testen erhalten hatte. Paul
Ehrlich, der Nobelpreisträger für Medizin von 1908, war der
erste Wissenschaftler, der systematische Serientests zur Erprobung von
Medikamenten einsetzte. Damit bereitete er der modernen Pharmazie des
20. Jahrhunderts den Weg.
Paul Ehrlich, der wegen der Entdeckung von Salvarsan weltweit Begeisterung
erntete, blieb bescheiden und wies darauf hin, dass wissenschaftlicher
Erfolg in erster Linie auf Fleiß und Hartnäckigkeit zurückzuführen
ist: "Sie sagen, es sei eine Großtat des Geistes, eine wundervolle
Leistung der Wissenschaft? Mein lieber Kollege, es ist nichts anderes,
als dass ich sieben Jahre Pech und einen Moment Glück gehabt habe."
Es gab damals zwei Erkrankungen, die unzählige Menschen hinwegraffte,
die Tuberkulose und die Syphilis, wobei man vor der durch Bakterien
verursachten Syphilis die meiste Angst hatte. Kardinal Richelieu, Francisco
Goya, Friedrich Schiller, E.T.A. Hoffmann, Friedrich Nietzsche, Franz
Schubert und viele andere - die Liste der Opfer liest sich wie ein "who
is who" der Geschichte. Quer durch alle Schichten der Bevölkerung
schlug die Syphilis zu, die nach 1910 ihren Schrecken verlor.
Salvarsan oxidiert an der Luft zu giftigen Verbindungen, daher wurde
es in luftdicht verschlossenen Ampullen verkauft. Das Medikament war
äußerst wirksam, hatte aber Nebenwirkungen. Nach Injektionen
konnten Verätzungen von Venen und von Muskelgewebe beobachtet werden.
Trotzdem wurde Salvarsan mangels an Konkurrenzprodukten regelmäßig
angewendet, bis es schließlich durch das Penicillin und seine
Folgeprodukte abgelöst wurde. Viele Jahre zierte das Salvarsanmolekül
und ein Bild von Paul Ehrlich die 200 D-Mark-Banknote in Deutschland.