Das Schuljahr verendet langsam, und das bedeutet, dass in den Schulen
der Teufel los ist. Die letzte Schularbeiten- und Teststaffel ist eben
erst angelaufen, Prüfungstermine werden verzweifelt verhandelt
und die Maturanten werden auf die mündliche Matura vorbereitet,
in machen Fällen gedrillt. Der Sympathicus-Nerv der Lehrer und
Schüler dreht alle Energieregler im Herzen, in den Lungen, im Hirn
und in den Nebennieren bis zum Anschlag hoch.
Die Schüler und die nicht minder geplagten Lehrer werden es in
dieser Situation nicht glauben können, dass der Name unserer Schule
seinen Ursprung im altgriechischen Wort „Scholé“
hat. Das bedeutet Muße. Das Gegenteil nannte man „ascholia“.
Auch bei den Römern war die Muße (otium) positiv, der Stress
(negotium) negativ besetzt. „Beatus ille, qui procul negotiis
suis“ wussten schon die Römer – glücklich derjenige,
der fern von seinen Mühen ist.
Es ist in diesem Zusammenhang interessant zu wissen, dass die großen
Männer der Wissenschaft ihre großen Geistesblitze nicht am
Schreibtisch, schon gar nicht unter Druck, sondern vornehmlich in Zeiten
der Muße hatten. Fortschritt entstand durch Scholé.
Isaac Newton verfasste seine „Philosophiae Naturalis Principia
Mathematica“, das wahrscheinlich größte Werk der Wissenschaftsgeschichte,
auf dem Land, als er viel Zeit hatte. Vielleicht ist Newton der sagenhafte
Apfel nicht auf den Kopf gefallen, aber auf der Wiese saß er tatsächlich,
als er nachdachte. Galileo Galilei hatte seine besten Ideen am Abend,
als er mit seinen Studenten in der Kneipe saß und den Humpen Wein
kreisen ließ. Charles Darwin saß täglich an seinem
Schreibtisch, aber zuvor war er einsam seinen „Thinkpath“
(ein schmaler Weg) entlang marschiert. Albert Einstein zog sich zum
Nachdenken gerne auf sein Segelboot zurück und die beiden Biochemiker
James Watson und Francis Crick besuchten einige Jahre lang jeden Abend
in Cambridge die Kneipe „Eagle“ und diskutierten mit Kollegen
bei einem oder mehreren Bieren die Struktur des DNA-Moleküls, bis
sie die Lösung gefunden hatten. Der Däne Niels Bohr und der
deutsche Werner Heisenberg waren Pioniere der Quantenphysik. Ihre besten
Ideen hatten die beiden Nobelpreisträger, als sie gemeinsam wanderten,
mit dem Segelboot in der Ostsee kreuzten oder in den verschneiten bayrischen
Alpen auf einer Hütte die Ferien verbrachten.
Die erwähnten Beispiele könnten den Eindruck erwecken, die
Geistesgrößen seien zumeist herumgelungert und hätten
nur so nebenbei ein paar gute Einfälle gehabt. So war es nicht.
Die erfolgreichen Männer arbeiteten allesamt hart, aber Oghma,
Odin, Thot und Merkur, die Götter des Wissens, erschienen ihnen
nur in der Scholé.