„Krieg bedeutet Frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit
ist Stärke“. Kaum jemand, der diese Sätze im weltberühmten
Roman „1984“ gelesen hat, kann diese Formulierungen vergessen.
Zumindest sinngemäß bleiben sie im Gedächtnis haften.
Winston, der Protagonist des Romans, lebt in einer der drei Weltdiktaturen
Eurasien, Ostasien und Ozeanien, die wechselnde Koalitionen eingehen
und dabei ständig Krieg führen. Winston arbeitet in einer
ministeriellen Nachrichtenstelle, in der die Geschichte permanent umgeschrieben
wird. Als der kleine Redakteur von Demokratie und Freiheit zu träumen
beginnt, spielen ihm Agenten des staatlichen Geheimdienstes ein Buch
zu. Es trägt den Titel „Theorie und Praxis des oligarchischen
Kollektivismus“ von Immanuel Goldstein. Winston und seine Geliebte
sind in der Lage, den Text an einem versteckten Ort zu lesen, bis sie
verhaftet werden.
Goldsteins fiktives Werk enthält die Kernausagen von „1984“.
Es handelt von widersprüchliche Parolen, die von den Menschen geglaubt
werden, weil sie zuvor „Verbrechenstop“ und „Zwiedenken“
gelernt haben. Das sind Techniken, die es erlauben, bestimmte Gedanken
zu blockieren und Behauptungen und ihr Gegenteil gleichzeitig für
wahr zu halten. In Orwells Welt gibt es nur vier Ministerien. Das Ministerium
für Frieden, das für Krieg und Kriegspropaganda zuständig
ist, das Ministerium für Überfluss, das den permanenten Mangel
verwaltet, das Ministerium für Liebe, dem die für Abweichler
zuständige Gedankenpolizei unterstellt ist und schließlich
das Ministerium für Wahrheit, das Fehlinformationen entwirft und
verbreitet.
Wie sieht es mit Orwells „Verbrechenstop“ heute aus? Es
handelt sich um eine Technik, die bestimmte Gedanken automatisch ausblendet,
um „Gedankenverbrechen“ zu verhindern. Verbotene Gedanken
gab und gibt es in allen Diktaturen und in vielen Religionen. Sogar
in Japan wurde 1936 ein Gesetz gegen Gedankenverbrechen beschlossen.
Orwell meinte dazu: „Wenn jemand ein … [ideologisch] strenggläubiger
Mensch ist, dann wird er unter allen Umständen wissen, ohne erst
nachdenken zu müssen, was die richtige Denkweise ist oder wie seine
Empfindung geartet sein soll. Auf alle Fälle macht ihn eine sorgfältige
Schulung, die er in der Jugend durchgemacht hat und die von den Neusprachwörtern
Verbrechenstop und Zwiedenken umrissen ist, abgeneigt und unfähig,
allzu gründlich über irgendein Thema nachzudenken.“
Verordnete Bildungsstandards und politisch korrektes Denken sind unverzichtbar
für Unterdrücker.
Heute vor 25 Jahren, am 13. Juni 1984, wurde Orwells Roman in den USA
als „Buch des Jahres ausgezeichnet“.