Die Nachricht der US-Agentur „Catholic News Service“ fand
wegen der Konflikte in Afghanistan, Nordkorea und anderen Ländern
kaum Beachtung: Eine Delegation aus dem Vatikan hat das europäische
Kernforschungszentrum CERN in Genf besucht. Beide Seiten seien an einem
bleibenden Austausch interessiert, weil Wissenschaftler, die das Universum
studierten, viele ähnliche Fragen wie Theologen hätten, sagte
Erzbischof Silvano Tomasi nach dem Besuch. Die Methoden zur Beantwortung
letzter Fragen, so betonte der Erzbischof, seien jedoch radikal verschieden.
In einer Presseaussendung hieß es, dass der Generaldirektor des
CERN, der deutsche Physiker Rolf-Dieter Heuer, an dem Besuch aus dem
Vatikan interessiert gewesen sei, um „eine Verbindung zum Heiligen
Stuhl herzustellen“.
Der naturwissenschaftlich interessierte Leser wird aufmerksam, denn
die absoluten Grenzen des Wissens kennen weder die Naturwissenschaften
noch irgendeine Religion. Die aktuellen Grenzen der Biologie werden
durch die Molekularbiologie und Genetik definiert, die Grenzen der Physik
durch die Quanten- und die Teilchenphysik aufgezeigt. Die Grenzen der
Theologie kann niemand ausloten, zu unterschiedlich sind die Meinungen
der Theologen.
Der interessanteste Aspekt an der Kontaktsuche mit CERN ist der Versuch
der Kirche, den Naturwissenschaften entgegen zu gehen. In Zeiten, in
denen sich die Naturwissenschaften überhaupt nicht mehr um die
Theologie kümmern (Kardinal Schönborn beklagte in den letzten
Jahren mehrmals das Desinteresse der „Science Community“),
versucht die Kirche nun offenbar, die Wissenschaften besser zu verstehen.
Die Religionen benötigen die Wissenschaften, aber die Naturwissenschaften
benötigen die Religionen nicht. Das mag überheblich klingen,
aber es ist so, denn wenn ein Physiker, ein Chemiker oder ein Biologe
eine Entdeckung macht, so wird nur nach natürlichen Erklärungen
gesucht. Es ist absolut unmöglich, Wunder wissenschaftlich nachzuweisen.
Die Wissenschaften sind bodenständig und diesseitig, sie suchen
nur nach Naturgesetzen und finden sie früher oder später,
wobei selbstverständlich auch Fragen offen bleiben. Die Bücher
der Bibel entstanden zwischen 1200 vor bis 120 nach Christus, der Koran
wurde im 7. Jahrhundert geschrieben. Die modernen Wissenschaften erschienen
im 17. Jahrhundert in Europa. Es gibt keine zeitlichen Überlappungen,
daher sind Bibel und Koran als naturwissenschaftliche Werke unbrauchbar.
Warten wir es ab: Es ist durchaus denkbar, dass Kirchenvertreter eines
Tages auch den Weg nach London zum „Darwin Centre“ finden,
dem größten europäischen Forschungsinstitut für
Evolutionsbiologie.