Vor 25 Jahren Jahren, Ende März 1984, starb Karl Rahner, einer
der bedeutendsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Der Jesuit Rahner
war einer der letzten theologischen Universalgelehrten, für viele
war er der Kirchenlehrer der Neuzeit schlechthin. Da Rahner biblisch
nicht begründbare Regeln und Glaubensinhalte in Frage stellte,
geriet er ins Blickfeld der Glaubenshüter, doch Rahner konnte seine
Ansichten theologisch untermauern. Vor allem erkannte er, dass alles
wandelbar ist. Das Weltall, die Erde, das Leben, die Kirche –
sie alle haben eine Geschichte und verändern sich. Diese Einsicht
bildete eine Basis der Rahnerschen Theologie. Am Katholikentag in Salzburg
1962 hielt Rahner den Vortrag „Spiritum nolite extinguere!“
Das Zitat, das wie kein anderes zum Pfingstfest passt, stammt aus dem
ersten Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher und lautet samt
Nachsatz: „Löscht den Geist nicht aus! Verachtet prophetisches
Reden nicht! Prüft alles, und behaltet das Gute!“ Nach diesem
Vortrag, in dem kritische Anmerkungen zur Politik der Kirche enthalten
waren, durften Rahners Schriften nicht mehr in römischen Buchhandlungen
verkauft werden.
Wenn man die Worte Paulus’ in die Zeit der Moderne überträgt,
stößt man auf Parallelen. Albert Einstein sagte einmal „Imagination
is more important than knowledge“ (Vorstellungskraft ist wichtiger
als Wissen). Er spielte damit auf seine Relativitätstheorie an,
die er aus einer Mischung aus Wissen und Inspiration heraus entwickelt
hatte. Er hatte Kraft seines Geistes eine Theorie entworfen, die sich
später als richtig und bedeutungsvoll herausstellen sollte. Der
große Biologe Charles Darwin hat auf ähnliche Weise seine
Theorien entwickelt. Vierzig Jahre lang war er auf seinem „Thinkpath“,
einem Schotterweg auf seinem Landgut, gewandert und hatte seine Vorstellungskraft
mit seinem enormen Wissen kombiniert. Die revolutionären Ideen
großer Denker und Forscher galten zu Beginn (fast) immer als verrückt,
doch es war prophetisches Reden, das nach wissenschaftlichen Prüfungen
am Ende bestehen konnte. Hypothese – Überprüfung –
Theorie. Bei Paulus steht es geschrieben.
Die Annäherungsversuche zwischen Christentum, Judentum und Islam
mögen in den Augen strenggläubiger Christen, Juden und Moslems
ein Frevel sein, aber es geht längst um eine Kooperation gegen
die stärker werdenden Bewegungen des Agnostizismus und Atheismus.
Die großen Glaubensgemeinschaften können intellektuelle Geister
in Zukunft nur dann für sich gewinnen, wenn sie untereinander teilweise
kooperieren, die Naturwissenschaften akzeptieren und einst geschmähte
Theologen, wie Karl Rahner, neu entdecken.