Umbrüche in den Wissenschaften ziehen stets Zweifel nach sich,
denn wissenschaftliche Theorien bekommen nicht durch bloße Verkündigung
den Ritterschlag, sondern durch systematische Überprüfungen.
Galileo Galilei (1564-1642) musste wegen seines neuen astronomischen
Systems vor einem Inquisitionsgericht erscheinen, Isaac Newton (1643-1727)
und Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) fochten jahrelang Kämpfe
um mathematische Theorien aus, der österreichische Physiker Ludwig
Boltzmann (1844-1906) verteidigte seine Atomtheorie bis zu seinem Freitod
und Albert Einstein (1879-1955) kämpfte ein Leben lang gegen Anfeindungen.
Auch der Privatgelehrte Charles Darwin (1809-1882) hatte mit seiner
Abstammungslehre die Welt der Wissenschaft provoziert. All diese Kämpfe
sind ein Teil der Wissenschaftsgeschichte und von Experten tausendfach
aufgearbeitet.
Dies verhindert nicht, dass regelmäßig populärwissenschaftliche
Bücher erscheinen, um einer erstaunten Leserschaft mitzuteilen,
dass die erwähnten Giganten der Wissenschaft in Wahrheit wenig
wussten. Ein Buch aus dieser Kategorie ist „Das kooperative Gen“.
In dem Werk des deutschen Arztes Joachim Bauer wird ein "Abschied
vom Darwinismus" verkündet, wobei Oberflächlichkeiten
und Ungereimtheiten vorkommen. Das Buch leidet darunter, dass Charles
Darwin vorgeworfen wird, Dinge nicht gewusst zu haben, die man zu seiner
Zeit gar nicht wissen konnte. Das ist nicht nur anmaßend, es ist
absurd. Das Buch schwächelt auch deshalb, weil die Erkenntnisse
der Populationsgenetik fehlen, die Darwins essentielle Theorien im Wesentlichen
bestätigen. Wahrscheinlich ist das dem Autor gar nicht bewusst,
es spielt auch keine Rolle.
In seinem Buch „Die Abstammung des Menschen“ schreibt Darwin
im Schlusskapitel in beispielhafter Offenheit: „Viele der Ansichten,
welche vorgebracht worden sind, sind … spekulativ und einige werden
sich ohne Zweifel als irrig herausstellen. Ich habe aber in jedem einzelnen
Fall die Gründe mitgeteilt, welche mich veranlasst haben, eher
der einen Ansicht als einer anderen zu folgen.“
Lehrinhalte wurden und werden von professionellen Wissenschaftern regelmäßig
von Irrtümern und fraglichen Thesen gesäubert, aber die wichtigen
Theorien der ganz großen Männer verlieren ihre Aussagekraft
nicht. Die wissenschaftlichen Meilensteine eines Galilei, eines Newton,
eines Darwin, eines Boltzmann, eines Einstein, eines Feynman und anderer
Größen werden auch in tausend Jahren noch zitiert und erörtert
werden. Die Geschichten ihrer Freizeitwiderleger verflüchtigen
sich so schnell wie der Schnee in der Frühlingssonne.