Jeder sechste österreichische Volksschüler kann nicht sinnerfassend
lesen, stellte die PIRLS-Studie (Progress in International Reading Literacy
Study) fest. Kürzlich folgte der zweite Schlag. Die letzte TIMSS-Studie
(Trends in International Mathematics and Science Study) haben sich Österreichs
Volksschüler auch im Bereich Mathematik und Naturwissenschaften
verschlechtert. Die eigentliche Peinlichkeit der Studien liegt weniger
im durchschnittlichen Gesamtergebnis als in den großen regionalen
Abweichungen. Das Märchen vom funktionierenden Gesamtschulmodell
der Volksschule kann mit diesen Ergebnissen nicht mehr kolportiert werden.
Die Lehrer der Hauptschulen und Gymnasien wissen es längst, wurden
von „Bildungsexperten“ aber nur milde belächelt: Quer
durch Österreich wird eine wachsende Zahl von Schülern festgestellt,
die enorme Probleme mit den Kulturtechniken Schreiben, Lesen und Rechnen
haben.
Verärgert wird auch festgestellt, dass schon wieder ein großer
Einfluss des Elternhauses auf das Abschneiden der Schülerinnen
und Schüler nachgewiesen werden konnte. In Österreich erreichen
Schüler aus Familien mit hundert oder mehr Büchern im Haushalt
deutlich mehr Punkte in Mathematik und Naturwissenschaft als Kinder
aus Familien mit wenigen oder gar keinen Büchern. Dieses Ergebnis
deckt sich mit den Resultaten der PISA-Studien. Kinder aus bildungsnahen
Familien erzielen bessere Ergebnisse als Kinder aus sozial schwachen
Familien. Die Meinungen über die Ursachen für diese Unterschiede
gehen weit auseinander, wobei eine plausible Erklärungen tabuisiert
wird: Das in den letzten Jahrzehnten grassierende bildungsfeindliche
Klima ist an den gebildeten Familien wirkungslos abgeprallt, nicht jedoch
an bildungsfernen Familien.
Im Land vor dem Arlberg hat man mit dem Schulversuch der „Vorarlberger
Mittelschule“ einen Weg beschritten, der allgemein beklatscht
wird. Dieser mediale Applaus zeigt, wie wenig die Öffentlichkeit
über diese Nicht-Reform weiß. Es handelt sich gewissermaßen
nur um Gymnasiumsklassen-light, die an Hauptschulen ausgelagert wurden.
Damit hat man mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Von den Gymnasien
wurde der Druck genommen, noch mehr Schüler aufnehmen zu müssen,
die Langzeitform des Gymnasiums bleibt erhalten und die Bevölkerung
glaubt irrtümlich, dass damit etwas Neues in Gang gekommen ist.
Damit hat man alle momentan wichtig erscheinenden Probleme gelöst
– eine typisch österreichisch-vorarlbergerische Lösung.
Um in Österreichs Schullandschaft etwas Neues entstehen zu lassen,
braucht man keine Revolutionen. Es müsste nur an einigen wenigen
Rädern gedreht werden.