Die Menschen sind verschieden: Neidisch, unzufrieden, liebevoll, gewaltbereit, verlogen, hilfsbereit – die ganze Palette des Verhaltens, aber eines ist erstaunlich: Das Böse fasziniert uns alle gleichermaßen. Brandstiftungen, Einbrüche und Diebstähle interessieren besonders dann, wenn es uns, Freunde oder Verwandte betrifft. Noch spannender sind nur noch Morde. Wir konsumieren sie mit wohligem Gruseln anlässlich des allsonntäglichen "Tatort" und wissen gleichzeitig, dass die Guten immer nur im Fernsehen gewinnen.
Bei all den Bedrohungen, seien es Terror, Umweltkatastrophen oder ein Zusammenbruch der Sozialsysteme, haben wir seit vielen Jahren ein Damoklesschwert aus den Augen verloren. Es ist die Atombombe. Der in Europa ausgeprägte Antiamerikanismus vermittelt unbewusst den Eindruck, nur die USA besitzen Atomwaffen und bedrohen damit die Welt. Tatsächlich verfügen auch Großbritannien, Frankreich, Russland, China, Indien und Pakistan und wahrscheinlich auch Nordkorea und Israel über Atomwaffen. Andere Länder, wie Deutschland, Japan, Südkorea und Australien haben die wissenschaftlichen, technischen und finanziellen Mittel, Atomwaffen zu bauen, verzichten aber - noch - freiwillig darauf.
Terroristen konnten bisher punktuell morden, ihr größter Anschlag gegen die freie Welt war die Zerstörung des World Trade Centers. Wenn wir "den Islam" als Bedrohung sehen, dann entgeht uns, dass ein Großteil der mörderischen Energien zwischen den großen Glaubensbekenntnissen, Schiiten und Sunniten, eingesetzt wird. Der Konflikt wird weiterwachsen, weil der schiitische Iran in der Region an politischer und militärischer Macht dazugewinnt. Die Angst vor einer weiteren (schiitischen) Atombombe ist groß, zumal Pakistan und sein Erbfeind Indien bereits Atommächte sind. Kein terroristischer Anschlag kann mit dem Schrecken verglichen werden, den ein nuklearer Sprengkopf in den Händen islamistischer Terroristen erzeugen würde.
Der Konstrukteur der ersten Atombomben, Robert Oppenheimer, war ein Kenner des Bhagavadgîtâ, einer alten Hindu-Schrift. Nach der Explosion der ersten Bombe am 16. Juli 1945 in New Mexico zitierte er den Gott Vishnu aus dem indischen Mythos: "Now I am become death, the destroyer of worlds." Der Hindu-Gott Vishnu ist ein Grenzgänger zwischen Schöpfung und Zerstörung. Oppenheimers Geschichte erinnert auch ein wenig an die Legende vom mächtigen Engel namens "Lichtträger" - lateinisch "Lucifer". Diese Lichtgestalt wurde größenwahnsinnig und mutierte zum Dämon. Die politisch korrekten Sorgen eines schwächer werdenden Europas sind geradezu lächerlich angesichts einer verrückter werdenden Welt.