Künstler gelten in der Regel als schwierig, zumindest als komisch oder schräg. Selbstverständlich gibt es auch einige „normale“ Künstler, aber die fallen nicht auf. Fast jeder der berühmten Komponisten, Maler und Schriftsteller hatte irgendwelche Marotten. Wenn nicht, dann waren sie hochintelligent, wie etwa Goethe, aber auch das machte sie bereits zu Außenseitern.
Der Blick auf die großen Künstler der Geschichte verstellt etwas die Sicht auf die großen Wissenschaftler, unter denen es mindestens so viele Außenseiter gab und gibt wie unter den Künstlern. Wenn alle Welt glaubt, dass sich die Sonne und alle anderen Sterne um die Erde bewegen, dann muss man schon ein wenig verrückt sein, um die Welt auf den Kopf zu stellen und zu behaupten, dass die Erde die Sonne einmal im Jahr umrundet. Auch Einstein, der verkündete, dass sich keine Materie schneller als Licht bewegen kann, galt als Spinner. Nicht nur das. Als Einstein sagte, dass Materie schwerer wird, wenn sie sich schneller bewegt, erklärten ihn viele seiner Kollegen für verrückt. Heute wissen wir, dass er Recht hatte. Bei CERN in Genf werden einfache Wasserstoffatomkerne fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt. Dabei verwandeln sich, um es bildlich auszudrücken, Sandkörner in Felsbrocken.
Wir dürfen nicht glauben, dass sich alle Wissenschaftler und Künstler komisch gaben. Mozart, Bruckner, Mendel und Einstein erschienen auf den ersten Blick völlig normal. Erst beim genauen Hinsehen zeigten sich witzige, geniale, sture, dunkle, manchmal sogar unheimliche Seiten. Die Filmserie „Zurück in die Zukunft“ zeigt einen schrulligen, aber umgänglichen, ja geradezu liebenswürdigen weißhaarigen Professor. Die grandiose TV-Serie „Breaking Bad“ stellt uns einen liebenswürdigen Familienvater und Chemielehrer vor, der sich zuerst in einen Drogenproduzenten und dann in ein Monster verwandelt. Der Schöpfer der modernen Physik, der Engländer Isaac Newton, war eines der größten wissenschaftlichen Genies aller Zeiten, doch er hatte eine rabenschwarze Seele. Es machte ihm Spaß, Konkurrenten existentiell zu vernichten, was ihm beim deutschen Universalgenie Gottfried Wilhelm Leibniz beinahe gelungen wäre.
Zwei interessante Bücher gewähren Einblick in die eher unbekannten Ecken des Wissenschaftsbetriebs. Das erste Buch wurde hier im letzten Jahr schon einmal vorgestellt. Ich wiederhole die Erwähnung und empfehle für Weihnachten noch ein zweites Buch für alle Leser, deren Seele eine leichte Schräglage aufweist. Michael Brooks, „Freie Radikale - Warum Wissenschaftler sich nicht an Regeln halten“ (Springer-Spektrum) und Franz Wuketits, „Außenseiter der Wissenschaft“ (Springer-Spektrum).