Die Teilnahme an der Kultur ist nur mit der Beherrschung der jeweiligen Sprache in Wort und Schrift möglich. Der Begriff der Sprache ist hier im weiteren Sinn gemeint. Zunächst gibt es die Schriftsprache, deren Kenntnis nötig ist, um in einem Kulturkreis erfolgreich zu sein. Ein Schüler, der nicht lesen kann, kann mit keinem Schulbuch etwas anfangen. Aus diesem Grund ist die Vermittlung und Beherrschung der Sprache eines Landes unerlässlich.
Es gibt aber nicht nur Landes-, sondern auch Fremdsprachen, die international in Verwendung sind. In der Musik sind es die bekannten Noten mit ihren für Nichtmusiker unheimlichen Zeichen wie Pausen, Halbtonschritte, Fermaten usw. Musizieren ist möglich, ohne Noten lesen zu können, aber die vollständige Teilnahme an der Musikkultur erlaubt nur die Kenntnis der Noten. Weniger beliebt ist die internationale Sprache der Mathematik, wobei sich die Zeiten geändert haben. War es noch vor einer Generation denkbar, mathematisch-naturwissenschaftlichen Analphabetismus stolz zu präsentieren, so sollte man das heute unterlassen. Kultur ist mehr als Michelangelo, Molière und Mozart.
Die erste internationale Sprache der Wissenschaft war Altgriechisch, das im östlichen Mittelmeerbereich über tausend Jahre lang gesprochen wurde. Nicht nur die Erzählungen von Homer sind in dieser Sprache verfasst, auch die Evangelien wurden in Altgriechisch geschrieben. Das Altgriechisch lebt heute in vielen Fachbegriffen weiter, wie etwa „hyper“ (darüber), „hypo“ (darunter), „eu“ (gut, echt), „dys“ (schlecht) usw. Auch Alltagsbegriffe wie Katastrophe (katá = hinunter, stréphein = wenden) sind griechisch. Nach dem Siegeszug des Christentums war Latein die internationale Kultur- und Wissenschaftssprache, was zu allerlei künstlichen Begriffen führte. Im Althochdeutschen bedeute „Ostar“ Osten. „Ostarrichi“ war das Land im Osten, daraus wurde (deutsch) Österreich. Das altfränkische „Austar“ bedeutete ebenfalls Osten und daraus machten mittelalterliche Historiker das lateinische Wort „Austria“. Bregenz hieß ursprünglich „Bregancea“. Erst später entstand das mittelalterliche „Brigantium“.
Heute ist die internationale Wissenschafts- und Umgangssprache Englisch. Diesen Siegeszug haben wir dem durch die Nationalsozialisten bewirkten Exodus tausender deutscher (meist jüdischer) Wissenschaftler und Techniker in Richtung England und USA zu verdanken. Diese brillanten Leute bewirkten in den angelsächsischen Ländern einen enormen technisch-wissenschaftlichen Schub und wurden „Hitlers Geschenk“ genannt. Englisch als weltweite Wissenschaftssprache ist eines von Adolfs ungewollten Vermächtnissen.