Der 18. US-Präsident Ulysses S. Grant hatte die Gewohnheit, während seiner Amtszeit (1869 – 1877) den Tag mit einem Glas Brandy und einer Zigarre im Willardhotel in Washington ausklingen zu lassen. Das Hotel war jahrzehntelang das gesellschaftliche Zentrum der Hauptstadt, es existiert heute noch unter dem Namen „The Willard Washington“. Nachdem sich herumgesprochen hatte, dass Präsident Grant dort Abend für Abend auf den anstrengenden Dienst einen gemütlichen Schnaps folgen ließ, sammelten sich alsbald Einflüsterer in der eleganten Lobby des Hotels, um ihre Anliegen dem Präsidenten außerhalb seines Terminkalenders vorzutragen. Diese aufdringlichen Typen erhielten schnell die Bezeichnung „Lobbyisten“. Der wenig schmeichelhaft gemeinte Begriff entstand ungefähr zur gleichen Zeit in England, als Wähler, Interessensvertreter und Abgeordnete in der Lobby des Unterhauses aufeinander trafen.
Lobbyismus, so windig die Sache auch erscheinen mag, zahlt sich aus. Andernfalls würden Interessenvertretungen und Firmen ihre Söldner nicht ständig in die Lobbies schicken. Den Lobbyisten haben wir viel zu „verdanken“, auch die Gurkenkrümmungsverordnung der EU, die nur durch nationale Gemüseproduzenten zustande kam. Auch Griechenland wurde gegen den Willen der EU-Kommission in den Euroraum aufgenommen. Nationale Lobbyisten aus befreundeten Ländern hatten diese fatale Entscheidung vor zehn Jahren durchgedrückt. Lobbyismus kann man manchmal gewissermaßen „live“ beobachten. Der Chef der europäischen Zentralbank, Mario Draghi, ist ein Lobbyist der amerikanischen Investmentbank „Goldman Sachs“. Er will den Euro durch Beschleunigung der Notenpresse weich machen und damit die wirtschaftlich schwachen Euroländer unterstützen.
Es mag erstaunen, dass es auch in den Wissenschaften Lobbyismus gibt. Gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse kann es keinen Lobbyismus geben, wie etwa die Gestalt der Erde oder die Funktion eines Röntgengeräts. Wo aber die Statistik regiert, ist Fälschertum und Lobbyismus Tür und Tor geöffnet, wie etwa bei Bildungsstudien. In manchen Fällen treten Lobbyisten sogar offen auf. Charlotte Fiala ist eine Lobbyistin im Namen der Wissenschaft. Sie versucht die EU-Politik im Sinne der Freien Universität Berlin zu beeinflussen. Der bekannte amerikanische Publizist Noam Chomsky war der erste, die sich mit Lobbyismus von Massenmedien zur Steuerung von Bildungs- und Wissenschaftspolitik beschäftigte, inzwischen arbeiten ganze Institute an diesem Thema. Erschwert wird die Aufklärungsarbeit jedoch durch die Tatsache, dass die Rohdaten von Bildungsstudien fast immer unter Verschluss gehalten werden.