Die Frage nach den größten Genies des 20. Jahrhunderts ergibt unterschiedliche Antworten. Physiker nennen Albert Einstein, Niels Bohr und Richard Feynman, Biologen erwähnen James Watson, Francis Crick und Hermann J. Muller, Chemiker schwärmen von Marie Curie und Linus Pauling, Bewunderer bildnerischer Kunst erwähnen Salvadore Dali oder Roy Lichtenstein und Musiker zählen je nach Vorliebe Elvis Presley, Beatles oder Herbert von Karajan auf. Jede dieser Listen ist selbstverständlich beliebig erweiterbar.
Sucht man technische Genies, die ihre Visionen großteils verwirklicht haben, so ragt ein einsamer Name heraus: Wernher von Braun. Das erste Fluggerät, das Überschallgeschwindigkeit erreichte und in einem ballistischen Flug bis ins Weltall vorstieß, war Wernher von Brauns „Aggregat 4“. Diese Großrakete wurde von den Nazis später als „Vergeltungswaffe 2“ (V2) missbraucht, denn Wernher von Braun ging es nur um den Bau von Satellitenträgern. Von 1937 bis 1945 war von Braun technischer Direktor des deutschen Raketenforschungszentrums in Peenemünde. Nach dem Krieg wurde er technischer Berater für Raketentechnik in den USA, 5 Jahre später leitete er das „Redstone Missile-Program“. Als Nationalsozialist hätte von Braun nie die amerikanische Staatsbürgerschaft erhalten können, aber die geheime militärische „Operation Overcast“ und die ebenfalls geheime Nachfolgeoperation „Project Paperclip“ rekrutierten deutsche Wissenschaftler und Techniker für die USA, wobei eine belastende Vergangenheit bei Bedarf vom CIA getilgt wurde. Auf diesem Weg gelangte Wernher von Braun zur amerikanischen Staatsbürgerschaft. 1960 wurde er leitender Angestellter der NASA.
Ende der Sechzigerjahre holte der begnadete Regisseur Stanley Kubrick den Raumfahrtexperten Wernher von Braun als Berater für seinen Science Fiction-Film „2001“. Kubrick wollte einen phantastischen aber technisch-physikalisch korrekten Film drehen. Der Film zählt längst zu den größten Filmkunstwerken aller Zeiten. Es sind Dinge zu sehen, die damals noch visionär waren: große Forschungssatelliten, ein Space-Shuttle, Flachbildschirme, sprechende und Schach spielende Computer und eine rotierende Raumstation. Damals schon wusste von Braun, dass die Schwerelosigkeit für längere Raumflüge ein Problem für den menschlichen Körper sein würde. Er ließ Raumschiffe oder Teile von ihnen rotieren, weil damit eine künstliche Schwerkraft erzeugt werden kann. Unzählige Science Fiction-Filme bis hin zu Camerons „Avatar“ kopierten Wernher von Brauns Filmideen.
Wernher von Braun wäre am 23. März 2012 hundert Jahre alt geworden. Der 16. Juni dieses Jahres ist sein 35. Todestag.