Eineiige Zwillinge sind aus einer Eizelle entstanden, sie sind sich daher sehr ähnlich. Zweieiige Zwillinge sind, so wie alle anderen Geschwister, aus zwei Eizellen entstanden. Sie können wegen der statistisch zufälligen Verteilung der Gene Ähnlichkeiten von null bis hundert Prozent aufweisen. Diese Grenzwerte werden natürlich nie völlig erreicht, aber es erklärt, warum Geschwister sich manchmal sehr ähnlich, ein andermal aber völlig verschieden sind. Die Champions der Ähnlichkeit sind jedenfalls die Ein-Ei-Zwillinge.
Vor dreißig Jahren wollte Professor Tom Bouchard von der University of Minnesota wissen, wie weit die Ähnlichkeiten gehen. Er fahndete nach eineiigen Zwillingen, die getrennt aufgewachsen waren und untersuchte sie. Einige Fälle gingen durch die Weltpresse, wie beispielsweise Jim Springer und Jim Lewis. Sie wurden 1939 in Piqua (Ohio) geboren und (getrennt) zur Adoption freigegeben. Sie erhielten zufällig die gleichen Vornamen. Nachdem Jim Springer 1979 seinen Bruder gefunden hatte, nahm er mit ihm Kontakt auf, dabei entdeckten die beiden erstaunliche Ähnlichkeiten. Beide waren 1,80 Meter groß und wogen 82 kg. Als Kinder hatten beide einen Hund namens „Toy“, beide hatten zuerst eine Frau namens „Linda“ geheiratet. Nach der Scheidung heirateten beide eine „Betty“. Ihre Söhne heißen James Alan und Allan James. Beide hatten eine Werkstatt im Keller, rauchten die gleiche Zigarettenmarke, tranken das gleiche Bier, waren beide Football-Fans und hatten die gleichen Marotten wie das Kauen der Fingernägel. Heute wird Zwillingsforschung weltweit an dutzenden Universitäten durchgeführt. Dabei werden eineiige mit zweieiigen Zwillingen verglichen. In allen Fällen sind die Ergebnisse verblüffend. Krankheiten wie Schizophrenie, Autismus, Diabetes, multiple Sklerose und andere haben einen hohen genetischen Anteil an der Entstehung. Sogar Leseschwäche, Bluthochdruck und Alzheimer haben genetische Komponenten. Es handelt sich dabei nicht um Erbkrankheiten, sondern um Veranlagungen. Wir alle sind eben von Natur aus verschieden.
In den USA ist die Wissenschaft um einen Schritt weiter als in Europa, wo teilweise noch die irrige Meinung verbreitet ist, Schizophrenie, Depression und andere Defekte seien Ergebnisse der Erziehung. Die Frage, ob die genetische Verschiedenheit oder eher die Umwelt bestimmend sind, ist falsch gestellt, weil es sich um zwei völlig verschiedene Kategorien handelt. Die Zwillingsforschung kann eher dazu beitragen, Eltern Schuldgefühle zu nehmen, denn auf manche Eigenschaften kann die Umwelt nur einen geringen Einfluss nehmen. Wir sind nicht so frei, wie wir glauben.