Die japanische Regierung und ganz besonders die Unglücksfirma Tepco (Tokyo Electric Power Company) sind alles andere als gesprächig, wenn es um Fukushima geht. Die Frage, wie es um das Atomkraftwerk wirklich steht, beantwortet sich fast von selbst, wenn man die kleinen, fast schon versteckten Einzelmeldungen der letzten Monate, zu einem Bild zusammensetzt.
In einer TV-Reportage war davon die Rede, dass im Reaktorgebäude 4 in den oberen Stockwerken noch viele gebrauchte und neue Brennstäbe lagern. Diese Brennstäbe wären sofort zu entfernen gewesen, weil sie eine Bedrohung darstellen. Ein weiteres Erdbeben könnte das schwer beschädigte Gebäude zum Einsturz bringen und die ohnehin schon enorme Strahlenbelastung weiter erhöhen. Offenbar liegen diese Brennstäbe immer noch frei herum, weil das Betreten des Gebäudes unzumutbar oder unmöglich ist.
In einer weiteren Mitteilung war davon die Rede, dass die Aufräumarbeiten ungefähr dreißig Jahre dauern werden. Diese Zahl beweist, dass keiner der Tepco-Leute auch nur annähernd weiß, wie lange es dauern wird, bis man die Katastrophe halbwegs im Griff hat. Statt „dreißig Jahre“ hätte man besser sagen müssen „irgendwann wenn überhaupt“. Einer der Gründe, warum kein Mensch weiß, wie lange die Aufräumarbeiten dauern werden, liegt im hohen Verbrauch der Facharbeiter. Sie werden zu hunderten durchgeschleust und durch neue ersetzt, weil jeder dieser Arbeiter nur einer bestimmten Strahlendosis ausgesetzt werden darf.
Die Strahlendosis ist das eigentliche Problem. In der Radioaktivität kennen wir verschiedene Messgrößen. Die Zerfallshäufigkeit wird in Becquerel (früher: Curie) gemessen, die Energiedosis in Gray (früher: rad) und die so genannte Äquivalenzdosis in Sievert (früher: rem). Die Äquivalentdosis ist definiert als die vom menschlichen Körper durch Strahlung aufgenommene Energiedosis multipliziert mit einem Faktor, welcher die biologische Wirksamkeit der Strahlung berücksichtigt. Bei den radioaktiven Strahlen unterscheidet man zwischen Alpha-, Beta- und Gammastrahlen, die sich in ihrer Energie und Wirkung unterscheiden. Neutronenstrahlen zählen nicht zu den radioaktiven Strahlen, können aber auch eine tödliche Wirkung entfalten. Bei einer Äquivalenzdosis von 5 Sievert sterben 50 Prozent der Betroffenen, das nennt man den „LD50-Wert“. Bei 7 Sievert sterben alle verstrahlten Personen innerhalb eines Monats, bei 50 Sievert innerhalb von 5 Tagen. Ende März gab die Firma Tepco bekannt, dass allein beim zweiten Reaktor 73 Sievert pro Stunde gemessen wurden. Im Klartext: Wer sich fünf Minuten neben dem Reaktor aufhält, muss in Kürze sterben. Unausweichlich.