Welt der Naturwissenschaften
(Scientific Medley)

 Jahresübersicht 2011

Die glücklichen Sklaven sind die erbittertsten Feinde der Freiheit.
(Marie von Ebner-Eschenbach)


20. April 2024


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DAS MORDOPFER IM EIS


Am 19. September 1991 waren Erika und Helmut Simon aus Nürnberg im Hochgebirge der Ötztaler Alpen unterwegs. Beim Abstieg von der Finailspitze nahmen sie eine Abkürzung. In einer Felsmulde fiel ihnen etwas Braunes auf. Als sie es näher betrachteten, erschraken sie, denn es handelte sich um die Leiche eines Menschen. Sie fotografierten den Toten in der Vermutung, es handle sich um einen vermissten Bergsteiger, was im Grunde auch stimmte. Von der wahren zeitlichen Dimension ahnten sie damals nichts. Der Hüttenwirt der Similaunhütte benachrichtigte kurz darauf sowohl die Carabinieri in Schnals (Südtirol) als auch die Gendarmerie von Sölden.

Die ersten Bergungsversuche der Leiche durch einen Hüttenwirt und einen Gendarmen waren so dilettantisch, dass die Hüfte des Toten beschädigt wurde. Der erste, der eine richtige Einschätzung der Situation vornahm, war der Extrembergsteiger Reinhold Messner, der zufällig mit Hans Kammerlander in der Gegend unterwegs war. Er schätzte das Alter der Leiche wegen der merkwürdigen Fundstücke auf mindestens fünfhundert bis dreitausend Jahre, wobei er schon sehr nahe an der Wahrheit lag. Am 23. September gelang es, den Toten endgültig zu bergen. Neben der Leiche fand man ein Bronzebeil, Leder- und Fellreste, Riemen und einen Dolch mit Feuersteinklinge und Holzgriff. Ein großer Bogen für die Jagd war noch eingefroren. Die Leiche wurde mit einem Hubschrauber ins Tal gebracht und auf Anordnung der Staatsanwaltschaft in die Gerichtsmedizin in Innsbruck transportiert.

Am 24. September wurde der Archäologe Konrad Spindler als Berater zugezogen, der den Toten auf mindestens viertausend Jahre schätzte. Nie zuvor war eine so gut mumifizierte Leiche aus der Jungsteinzeit gefunden worden. Für die Wissenschaft öffnete sich ein fantastisches Fenster in unsere eigene Frühgeschichte. Knochenuntersuchungen ergaben, dass „Ötzi“ ungefähr 45 Jahre alt wurde, das ist ein für die damalige Zeit hohes Alter. Mit der bekannten C-14 Methode wurde nachgewiesen, dass der – mehrfach tätowierte - Tote zwischen 3350 und 3100 v. Chr. lebte. Er lag bereits sechshundert Jahre im Eis, als König Cheops am Nil seine Pyramide bauen ließ. Zahlreiche Knochenbrüche, eine in der Schulter steckende Pfeilspitze und ein erst spät von Radiologen in Bozen entdeckter und nicht vollständig verheilter Stichkanal am Rücken lassen den Schluss zu, dass „Ötzi“ gewaltsam ums Leben kam. Der Tote ist höchstwahrscheinlich verblutet, was zu allerlei wilden Spekulationen führte.

Die Faszination, die vom Mann aus den Ötztaler Alpen ausgeht, erreichte auch Hollywood. Der Schauspieler Brad Pitt ließ sich ein Bild des prähistorischen Mordopfers auf den linken Unterarm tätowieren.




   

© 2011 Rudolf Öller, Bregenz


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Trofim Denissowitsch Lyssenko
1898-1976)
darf als Beispiel dafür dienen, dass es auch unter den Wissenschaftlern Verrückte, Intriganten und Unterstützer von Massenmördern (Stalin) gab und gibt.

Silvia liest

Rudolf Oeller:

"Theke, Antitheke, Syntheke"
(Thriller über eine tragikomische Stammtischrunde auf dem Weg in den Tod)
Verlag novum, Zürich. ISBN 978-3-99130-025-0

"Wir waren eine großartige Bande von Stammtischbrüdern an der deutsch-österreichischen Grenze, auch zwei Stammtischschwestern waren dabei. Wir pfiffen auf alle Corona-Bestimmungen und trafen uns an jedem Freitag – eine verschworene Truppe, fast schon ein Dream Team. Drink Team trifft es allerdings besser. Voll Hoffnung starteten wir ins Coronajahr 2020, am Ende wurde es eine teils fröhliche, teils depressive Reise in den kollektiven Tod."

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