Die Energie, die in der Materie steckt, ist nicht Masse mal Lichtgeschwindigkeit, sondern Masse mal Lichtgeschwindigkeit zum Quadrat. Der Unterschied ist gewaltig. Die Lichtgeschwindigkeit ist eine neunstellige Zahl, das Quadrat eine siebzehnstellige. Dieses Quadrat hat eine Geschichte, und sie begann mit einem der größten wissenschaftlichen Bücher aller Zeiten. Die „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“ (Die mathematischen Grundsätze der Naturphilosophie) des englischen Physikers, Mathematikers und Philosophen Isaac Newton (1642-1726) erschien 1687. Dieses Buch und sein Vorläufer, der „Dialog“ des italienischen Physikers und Astronomen Galileo Galilei (1564–1642), gelten heute als die ersten Bücher der modernen Wissenschaft.
Einer der größten Bewunderer Newtons war der meistgelesene Schriftsteller der französischen Aufklärung, François Marie Arouet (1694-1778), der später unter dem Namen Voltaire bekannt wurde. Newton hatte in seinem berühmten Buch vorgeschlagen, dass die Dynamik, die in einem bewegten Körper steckt (heute nennt man das „Bewegungsenergie“), mit Masse mal Geschwindigkeit zu berechnen sei.
Newtons Gegenspieler, der deutsche Mathematiker, Physiker, Historiker und Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz (1647–1716), behauptete hingegen, dass die Bewegung besser mit Masse mal Geschwindigkeit zum Quadrat zu beschreiben sei. Newton und Leibniz bekämpften sich verbissen auch wegen zahlreicher anderer Konflikte, da betrat eine junge französische Adelige die Bühne der Physik.
Emilie de Chatelet (1706–1749) hatte einen Offizier geheiratet, der selten zu Hause war. Sie war gleichermaßen intelligent wie lebenslustig. Die Väter ihrer Kinder konnte sie nur erahnen, denn zu ihren zahlreichen Liebhabern gehörte auch Voltaire, der sowohl ihre Geistesschärfe als auch ihre erotische Freizügigkeit schätzte. Immer dann, wenn es für Voltaire wegen dessen scharfer Zunge politisch gefährlich wurde, versteckte er sich auf Emilies Schloss in Cirey, wo er sich wissenschaftlich, literarisch, musikalisch und anderweitig vergnügte. Emilie hatte Teile des Schlosses in ein wissenschaftliches Labor umbauen lassen, darin führte sie zahlreiche Experimente durch. Sie wiederholte auch mit großer Präzision Fallversuche mit Kugeln, die der holländische Physiker Willem sGravenzande erdacht hatte. Schließlich konnte Emilie de Chatelet nachweisen, dass nicht Newton, sondern Leibniz Recht hatte. Die Bewegungsenergie ist nicht der Geschwindigkeit, sondern dem Quadrat der Geschwindigkeit proportional. Das gesamte grundlegende Wissen zur Entwicklung von E = mc² war damit vorhanden.