Der ungebetene Gast namens EHEC (Enterohämorrhagische Escherichia coli) tauchte wie aus dem Nichts auf. Escherichia coli, auch E. coli oder Kolibakterium genannt, ist ein ständiger Gast in unseren Gedärmen und hilft uns bei der Verdauung. Das ist ein klassischer Fall von Symbiose: Man unterstützt sich gegenseitig. Leider gibt es unter diesen Kolibakterien auch gefährliche Varianten, sie heißen EHEC, EPEC, ETEC, EIEC und EAEC, um nur einige zu nennen. EHEC ist eine im Jahr 1977 entdeckte bösartige Variante. Sie besitzen an ihrer Oberfläche ein spezielles Protein, das ihnen eine Anheftung an der Darmwand erleichtert. Weiters produzieren diese Mikroben gleich mehrere Gifte. Eines wird von einem Gen hergestellt, das auf eine Phageninfektion zurückzuführen ist und „Vero-Toxin“ genannt wird. „Phagen“ sind Viren, die auf Bakterien spezialisiert sind. Sie können Gene von einem Bakterium in ein anderes transportieren und werden daher auch in der Gentechnik angewendet. Weiters erzeugen die EHECs ein von einem Plasmid (ein kleiner DNA-Ring im Zellplasma) codiertes „Hämolysin“, das Blutzellen zerstören kann. EHECs sind unter den Bakterien die Killer.
Es hat keinen Sinn, auf bestimmte Gemüsesorten zu verzichten, weil es Kolibakterien überall gibt. Sie vermehren sich am liebsten in den Därmen von Rindern, Schafen und Schweinen, schon morgen können sie in Milch, auf Rüben oder in Würsten auftauchen. Der einzige Schutz, den es gibt, ist regelmäßige Hygiene, vor allem im Zusammenhang mit rohem Obst und Gemüse. Die Krankheitssymptome nach einer Infektion sind unterschiedlich, weil wir Menschen unterschiedliche Immunsysteme besitzen, im Extremfall verläuft eine Infektion tödlich.
Auffallend an EHEC ist seine rasche Evolution. Der Bakterienstamm hat in relativ wenigen Jahren gelernt, gegen Antibiotika resistent zu werden, was Behandlungen immer schwerer macht. Was auf den ersten Blick wie die sprichwörtliche Rache der Natur aussieht, ist nichts anderes als eine natürliche Reaktion der Bakterien auf die sorglose Anwendung von Antibiotika. Ein Beispiel wäre die übertriebene Verwendung bei Bronchitis, die nur zu rund fünf Prozent auf Bakterien zurückzuführen ist, der Rest wird durch Viren verursacht, gegen die Antibiotika aber keine Wirkung zeigen. Bei einem echten Bedarf wirken dann die Antibiotika nicht mehr. Die Gründe der Resistenz der Bakterien liegen auch in deren einfacher Konstruktion und in der kurzen Generationsdauer. Im Extremfall können Kolibakterien ihre Biomasse innerhalb von zwanzig Minuten verdoppeln. Die stetig zunehmenden Killer unter den Mikroben werden daher unseren Gesundheitssystemen in Zukunft wachsende Probleme bereiten.