Zu Beginn der Dreißigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts untersuchte
ein Forscherteam am California Institute of Technology in Pasadena die
kosmische Höhenstrahlung. Zu diesem Zweck baute einer der Physiker,
Carl Anderson, eine große Nebelkammer. Nebelkammern enthalten
ein übersättigtes Luft-Alkohol-Gemisch. Wenn ein elektrisch
geladenes Teilchen durch die Kammer fliegt, entsteht eine Spur von Kondensationskernen.
Die Teilchen hinterlassen deshalb deutlich sichtbare Kondensstreifen,
die man analysieren kann. Legt man an eine solche Kammer ein Magnetfeld
oder ein elektrisches Feld an, dann bewegen sich die Teilchen auf gekrümmten
Bahnen, aus denen sich Masse und Ladung eines Teilchens berechnen lassen.
Als Anderson seine Nebelkammer in Betrieb nahm, sah er zunächst
nur Spuren von damals gut bekannten Teilchen: Protonen und Elektronen.
Im Sommer 1932 fand Anderson etwas Merkwürdiges. Er sah die Spur
eines Elektrons, aber die Krümmung der Bahn lief in die falsche
Richtung. Das Teilchen verhielt sich nicht wie ein negativ geladenes
Elektron, sondern wie ein positives. Zunächst suchte Anderson nach
Fehlern im Gerät, fand aber nichts. Stattdessen tauchten in den
folgenden Tagen weitere „falsche“ Elektronen auf. Anderson
nannte die entdeckten Anti-Elektronen „Positronen“. Die
Antimaterie war entdeckt worden. Rasch stellte sich heraus, dass sich
diese Positronen, wenn sie auf Elektronen treffen, in Strahlungsenergie
auflösen. Später wurde mit Hilfe großer Beschleunigeranlagen
zu jedem Teilchen ein dazugehöriges Antiteilchen erzeugt. Es gibt
also nicht nur Antielektronen, sondern auch Antiprotonen, Antineutronen
und andere. Antimaterie ist in unserer Materiewelt kurzlebig und daher
schwierig nachweisbar.
Nach den Theorien der Kosmologen entstand während des Urknalls
Materie und Antimaterie, wobei ein Teil davon wieder zu Energie zerstrahlte.
Irgendwo im Kosmos müssten demzufolge ganze Welten aus Antimaterie
existieren. Es kann aber auch sein, dass nach dem Urknall mehr Materie
als Antimaterie entstand und die Antimateriewelten fast völlig
verschwunden sind. Der letzte Flug des amerikanischen Spaceshuttle „Endeavour“
zur Raumstation ISS soll helfen, diese offenen Fragen zu klären.
Das Raumschiff hat einen eineinhalb Milliarden Dollar teuren Alfa-Magnet-Spektrometer
zum Nachweis kosmischer Antiteilchen an Bord. Alt-Präsident Bush,
bekanntermaßen kein Freund aufgeklärter Wissenschaften, hatte
das Projekt stoppen lassen. Erst nach jahrelangem Druck europäischer
Physiker fliegt der Teilchendetektor nun zur Raumstation. Vielleicht
trägt das Experiment dazu bei, eines der größten Rätsel
des Universums zu lösen.