Das Evangelium nach Lukas berichtet von der Geburt des Jesuskindes
in einem Stall in Bethlehem, auch von Engeln und staunenden Hirten.
Im 2. Kapitel des Evangeliums nach Matthäus liest man von Männern
aus dem Osten, die, je nach Ansicht der Übersetzer, „Magier“
oder „Weise“ genannt werden: „Als Jesus zu Bethlehem
in Judäa geboren war, in den Tagen des Königs Herodes, siehe,
da kamen Weise vom Morgenland nach Jerusalem, die sprachen: Wo ist der
König der Juden, der geboren worden ist? Denn wir haben seinen
Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihm zu huldigen.“
Historiker vermuten, dass die „Weisen“ – es waren
weder Könige noch waren es ausdrücklich drei – gebildete
Priester des Gottes Zarathustra waren und aus Babylon kamen. Babylon
lag östlich von Israel in Mesopotamien (mesos potamos = zwischen
den Flüssen Euphrat und Tigris liegend). Es erstaunt wenig, dass
die Reisenden, die da im Stall von Bethlehem auftauchten, für kluge
Männer gehalten wurden, denn in Mesopotamien gab es längst
entwickelte Wissenschaften. Bereits vor viertausend Jahren waren in
dieser Region Multiplikations-, Quadratwurzel-, Reziprok- und andere
Tabellen für komplizierte Berechnungen in Verwendung. Die Mathematiker
beherrschten das Rechnen mit Logarithmen und das Lösen von Gleichungen
mit zwei Unbekannten. Die Babylonier waren außerdem sehr sternenkundig.
Wahrscheinlich war den damaligen Astronomen eine seltene Begegnung der
beiden Planetengötter Jupiter und Saturn im Sternbild der Fische,
die als Symbol Israels galten, aufgefallen. Dieser „Stern von
Bethlehem“ könnte der Grund zur Reise nach Jerusalem gewesen
sein.
Die europäischen Wissenschaften entstanden erst Jahrhunderte später,
dabei hatten wieder Araber, also Weise aus dem Morgenland, ihre Hand
im Spiel. Sie brachten im Mittelalter das arabische Zahlensystem und
die Übersetzungen griechischer Philosophen, allen voran Aristoteles,
nach Mitteleuropa. Albertus Magnus, Thomas von Aquin und ihre Schüler
bauten Aristoteles in ihre Theologie ein, weil sie überzeugt waren,
dass die Kirche nicht nur geistliches, sondern auch weltliches Wissen
pflegen müsse. Ausgerechnet die Kirche, die später einige
größere Scharmützel mit den Wissenschaften erlebte,
legte auf diese Weise die Fundamente für die beiden Prinzipien
„religio“ und „scientia“. Die Wissenschaften
begannen daraufhin ihren Siegeszug in Europa, im islamischen Bereich
verschwanden sie fast völlig. Wir sollten gelegentlich daran denken,
dass wir unseren Fortschritt ein klein wenig auch dem arabischen Volk
der Weisen verdanken, die einen jüdischen Säugling in Bethlehem
besuchten.